Oberliga-Vizemeister VfR Mannheim / Kenan Kocak im Gespräch mit dem Sportkurier

Oberliga-Vizemeister VfR Mannheim / Kenan Kocak im Gespräch mit dem Sportkurier

Oberliga-Vizemeister VfR Mannheim / Kenan Kocak im Gespräch mit dem Sportkurier

Archiv Oberliga (Fußball) | erstellt am Mo 28.05.2012

Der Aufsteiger spielte unter Trainer Kenan Kocak eine sensationelle Hinserie und dann eine eher durchwachsene Rückrunde. Unter dem Strich kam dann dennoch die Oberligavizemeisterschaft dabei heraus.

Hinserie:
Das Kocak-Team mischte die Liga mit begeisterndem Kombinations- und Offensivfußball auf. Die Konkurrenz konnte nur so staunen und egal in welcher Formation der VfR-Coach auflaufen ließ, am Ende hieß der erdogdu-1
Gewinner VfR Mannheim. In der Hinserie holten die Rasenspieler 12 Siege, 3 Remis und erlitten nur eine Niederlage. Mit 44:9 Toren stellte der Aufsteiger den besten Angriff und die stabilste Defensive. Sieben Punkte vor der Konkurrenz, sah es ganz so aus, als ob die Mannheimer nicht mehr zu stoppen wären.

Die Torjäger Giuseppe Burgio (14 Tore) und Kaan Erdogdu (15 Tore) (Foto rechts bei einem erzielten Treffer) hatten in der Hinserie gemeinsam 29 Tore erzielt, waren der Schrecken aller Abwehrreihen. Dann kam die Hiobsbotschaft: Kaan Erdogdu musste wegen eines Knie- und Knorpelschadens unter das Messer. Prognose: Saison mit hoher Wahrscheinlichkeit gelaufen. Natürlich ein herber Rückschlag für das Kocak-Team, aber man war dennoch guter Dinge – auch eine starke Rückserie zu spielen.

Rückserie:
Es kam anders – die Bilanz in der Rückserie: 6 Siege, 5 Remis, 5 Niederlagen bei 21:17 Toren. In der Rückrundenbilanz stand somit nur der 8. Platz. Zu wenig, um am Ende auch aufzusteigen.

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Statistische Werte:

Bei Heimspielen konnte der VfR Mannheim durchschnittlich 535 Zuschauer begrüßen – belegt damit den 7. Platz in der Zuschauerstatistik der abgelaufenen Saison. Damit würden die Rasenspieler auch in der Regionalliga Süd auf einem guten 10. Platz liegen (ganz knapp hinter 1899 Hoffenheim II).
Auswärts erwies sich der Aufsteiger als Zuschauermagnet. Durchschnittlich 680 Besucher (inkl. Walldorf-Spiel) wollten die Mannheimer sehen – damit Platz 3 in der Tabelle. Nimmt man die Gesamtstatistik, so haben die Rasenspieler die besten Werte seit vielen Jahren erzielt. Und darauf gilt es für die Mannheimer zukünftig aufzubauen.

Der Sportkurier hat sich mit Trainer Kenan Kocak insbesondere über die Rückserie der Spielzeit 2011/2012 unterhalten.

Sportkurier: Herr Kocak, immer noch sehr enttäuscht über das Scheitern im Kampf um den Regionalligaaufstieg?

Kenan Kocak: Ich habe das verarbeitet, man muss jetzt wieder nach vorne sehen. Es ist einfach schade gewesen, dass wir es nicht geschafft haben, in der Rückserie an die Leistungen der Hinrunde anzuknüpfen. Für mich ist diese enttäuschende Rückrunde erklärbar, plausibel.

Sportkurier: Woran lag es genau? Von dem tollen Kombinations- und Angriffsfußball war ja oft burgio zweikampf
nur noch ansatzweise etwas zu sehen. Kommen wir zu den Personalen, was lief da weniger optimal?

Kenan Kocak: Eben, man muss das schon differenzieren. Es waren mehrere Faktoren, die da Entscheidend waren. Und als Ganzes, hat dies eben zum scheitern geführt. Verletzungen: Das zog sich wie ein roter Faden durch die Saison. Victor Oppong und Andreas Rist (Kreuzbandrisse), Kenneth Kronholm (Sehnenriss), Kaan Erdogdu (Knie-Operation), Ercan Arslan (Chronisch erkrankt ab 01/2011). Ein Bashiru Gambo, der zu keiner Zeit die Erwartungen erfüllen konnte. Eine zeitlang kannst du den Ausfall von Leistungsträgern kompensieren, aber wohl nicht über eine ganze Saison. Die jungen Spieler, die vor der Saison niemand kannte und die eine hervorragende Hinserie spielten, hätten hier und da eine Auszeit benötigt, aber da haben dann auch oft die Alternativen gefehlt.

Sportkurier: Wie verlief die Wintervorbereitung?

Kenan Kocak: Miserabel. Man hat sich durch die Siege über 5 Regionalligisten blenden lassen. Solche Spiele finden nicht auf Wettkampfniveau statt, das sind Testspiele die man nicht überbewerten sollte. Unser Problem waren die vielen personellen Ausfälle während der Vorbereitung. Keven Bayram, Kristijan Vidakovic und Richard Wegmann sind Schichtarbeiter, die fehlten öfters. Norbert Kirschner hatte Adduktorenprobleme und fehlte über 50% der gesamten Vorbereitung. Ein Bashiru Gambo war ständig angeschlagen und fehlte 75 % der Vorbereitung, auch öfters unentschuldigt. Ercan Arslan hatte ja diese chronische Erkrankung, die ein trainieren unmöglich machte. Das waren keine optimalen Voraussetzungen für die Vorbereitung. Als die Rückserie begann, waren all diese Spieler nicht auf dem Leistungsstand der Hinserie.   

Sportkurier: Also zum einen die verletzten Leistungsträger, der kaum zu kompensierende Ausfall von Torjäger Kaan Erdogdu und die schlechte Wintervorbereitung. Was war mit der Unruhe in der Mannschaft, was ausstehende Zahlungen betrifft?

Kenan Kocak: Das kam noch dazu und hat auch zu Unruhen geführt. Für mich nicht nachvollziehbar, wie die Mannschaft zwei Trainingseinheiten streikte und so noch ausstehende Prämien einforderte. Da bist du als Trainer plötzlich ganz hilflos, würdest am liebsten alle Spieler aus der Mannschaft werfen, aber das ging ja nicht.

spielberg 86.jpgSportkurier: Was hatte das mit den Prämien auf sich, weil eine solche Unruhe war?

Kenan Kocak: Da ist viel hintenrum gedichtet worden, was nicht stimmte. Zunächst eines: Der VfR Mannheim, der Vorstand – hat in dieser laufenden Spielzeit einen riesigen Kraftakt geleistet. Jeder Spieler hat vom Verein das bekommen in der laufenden Runde, was ausgemacht war. Da gab es nie nennenswerte, verspätete Zahlungen. Der Mannschaftsrat hatte ja vor der Saison Prämien ausgehandelt mit dem Vorstand. Und wenn man überlegt, dass wir da in der Tabelle ganz oben waren, über eine gesamte Saison hinweg, dann muss man nur 1 + 1 addieren. Durch die vielen Siege hat jeder Spieler wesentlich mehr an Prämien vom Verein bekommen, als er es in den kühnsten Träumen erhofft hatte. Und dann einen Streik durchzuführen, in einer entscheidenden Phase der Meisterschaft, das war ganz „schlechtes Kino“. Es gab dazu in der Mannschaft auch zwei Meinungen, was einen Trainingsstreik betraf.

Sportkurier: Es ging aber wohl um ältere Prämien, aus der letzten Runde?

Kenan Kocak: Ja, nur um Prämien aus der letzten Saison. Wie gesagt, der Verein hat in dieser sportlich sehr erfolgreichen Saison seine Hausaufgaben sehr gut erledigt. Da hat man alles dafür getan, diese Saison auch finanzieren zu können. Es ging hauptsächlich um Spieler, die aus dem Aufstiegsjahr noch Prämien zu bekommen hatten. Diese Gelder waren dem Verein von Gönnern zugesagt gewesen, da es Sonderprämien waren. Leider konnte dies aus Gründen die ich hier nicht nenne, nicht realisiert werden. Der Verein wollte diese Prämien dann im Zuge der neuen Saison auszahlen, aber durch diese sensationelle Siegesserie – waren ja weitaus höhere Prämien zu leisten, als sie im Jahresetat berücksichtigt waren. Damit die Prämien der aktuellen Runde beglichen werden konnten, musste man die aus der letzten Saison eben weiter hinten anstellen. Hätte man eine weniger erfolgreiche Hinserie gehabt, dann wären diese Prämien längst ausbezahlt gewesen.        vfr mannheim 2011-2012

Sportkurier: Wenn man das so im Detail erfährt, ist ein Streik der Spieler auch nicht wirklich nachzuvollziehen.

Kenan Kocak: Nein, ist es nicht – auf keinen Fall. Und dieser Streik, diese Unruhen haben auch Teile der Mannschaft etwas gespalten. Die einen waren gegen einen Trainingsstreik, die anderen dafür. Am Ende hatte sich die Mannschaft selbst vergaloppiert. Da kamen auch gegenseitige Vorwürfe und „Sticheleien“, die kontraproduktiv waren. Wir haben uns zusammengesetzt und wollten bei Null anfangen – komplett an einem Strang ziehen. Aber dieser Hebel konnte wohl nicht mehr komplett umgelegt werden. Dennoch bin ich unter dem Strich über das geleistete, stolz. Möchte mich da auch nochmals bei meinen Spielern, dem Trainerteam, Betreuern, den Fans, Herrn Egon Scheuermann und dem gesamten Vorstand für diese insgesamt gesehen, hervorragende Spielzeit danken.

Sportkurier: Man muss doch doppelt enttäuscht sein, wenn man als Trainer mit solchen Problemen zu kämpfen hat.

Kenan Kocak: Wie gesagt, ich stehe da hinter dem Verein. Wir haben alles in unserer Kraft stehende getan, um auch am Ende erfolgreich zu sein. Wir werden jetzt einen mittleren Umbruch im Team haben und nächste Saison wieder eine gute Mannschaft stellen. Der Etat wird etwas nach unten korrigiert, um auch eine etwaige, überraschend gut verlaufende Saison bezahlbar zu machen. Ich persönlich muss mich mehr auf meine Tätigkeit als Trainer konzentrieren können. Nebenkriegsschauplätze kann ich nicht auch noch bedienen. Wir alle haben hoffentlich aus dieser Spielzeit gelernt, die unter dem Strich immer noch als sehr erfolgreich eingestuft werden kann.

Sportkurier: Dann bedanken wir uns für das offene Interview und wünschen Ihnen jetzt ein paar Wochen erholsamen Urlaub.

Kenan Kocak: Vielen Dank. Auch meinen Dank an den Sportkurier, für die sehr umfangreiche, mediale Berichterstattung während der abgelaufenen Spielzeit.

Foto 1: Fischer L.        Fotos/VfR

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