Rafael BAENA GONZALEZ/RNL gegen Christian Dissinger (THW Kiel). Bild: AS Sportfotos

Rafael BAENA GONZALEZ/RNL gegen Christian Dissinger (THW Kiel). Bild: AS Sportfotos

Rhein-Neckar Löwen werden an der Ostsee demontiert +++ 31:20 Sieg des THW Kiel +++ Nur noch zwei Punkte Vorsprung

Archiv Handball | erstellt am Do 24.12.2015

Der Geschäftsführer des THW Kiel, der diesen Posten vor noch gar nicht allzu langer Zeit auch bei den Rhein-Neckar Löwen innehatte, gönnte sich eine Zigarette. Ganz ohne Hektik genoss er Zug für Zug. Ein breites Grinsen setzte er dabei auf. Es war sein Siegerlächeln. Denn rund eine halbe Stunde zuvor hatte sein Personal fette Beute gemacht. Mit 31:20 (12:9) wurden die Löwen vernichtend geschlagen.
 
Es war eine Demonstration der Stärke und glich einer Vorführung

Zudem wurden die Karten im Titelpoker wieder neugemischt. Der Vorsprung des Spitzenreiters aus Baden beträgt nun nur noch zwei Punkte auf Kiel. „Wir sind nun wieder voll da, das war ein ganz wichtiger Sieg“, schnaufte Storm tief durch. Erleichtert war er. Bei Alfred Gislason, dem Trainer der Kieler, war es ähnlich. Der Isländer grinste: „Hätten wir heute verloren, wären es bereits sechs Punkte zwischen uns und den Löwen gewesen, das Titelrennen wäre so gut wie gelaufen gewesen. Nun hoffen wir, dass wir wieder etwas Druck auf die Löwen aufbauen konnten.“

Kiels Geschäftsführer Thorsten Storm hatte nach dem deutlichen Sieg „gut Lachen“. AS Sportfotos.

Etwas Druck ist gut. Die Löwen spüren den Atem der Zebras mehr denn je. Aber wie konnte es überhaupt zu solch einer historischen Pleite kommen? Elf Tore Differenz zeugen von einer Demütigung. Erklärungsversuche: „Kiel war die klar bessere Mannschaft, da gibt es nichts“, analysierte Löwen-trainer Nikolaj Jacobsen enttäuscht, „aber unser Problem war auch, dass wir gerade in der zweiten Halbzeit eine extreme junge Mannschaft auf dem Feld hatten.“

Gezwungenermaßen: Patrick Groetzki verletzte sich kurz vor der Pause an der linken Wade. Die genaue Diagnose steht noch aus, aber vieles deutet auf einen Muskelfaserriss hin, was gleichzeitig das EM-Aus bedeuten könnte. Und auch Rückraum-Kämpfer Alexander Petersson schaute fast nur zu. Jacobsen berichtet: „Er hat einen Schlag gegen das Kopf bekommen und klagte danach über ein eingeschränktes Sichtfeld.“

Die Pleite aber nur an den Ausfällen fest zu machen, wäre zu einfach und auch nicht im Interesse von Jacobsen. Die Gelbhemden schafften es am Vorweihnachtsabend nämlich nie, den Schalter umzulegen. Anders als kürzlich in Flensburg, als die Löwen mit einer 32:25-Gala aufwarteten, knüpften sie an die zuletzt durchschnittlichen Leistungen an.

Die mögen gegen Balingen reichen, aber eben nicht in Kiel, wo über 10.000 Zuschauer einen Höllenlärm entfachen. Die Angriffsleistung war deutlich zu schwach und alles, nur eben nicht meisterlich. Was allerdings auch mit der starken Deckung der Kieler zusammenhing.

Patrick Groetzki schied verletzt aus der Partie aus. AS Sportfotos.

Doch bei all dem Frust, abgerechnet wird zum Schluss

Es ist nun mal ein Fakt, dass der THW Kiel bei all der Euphorie nach wie vor zwei Punkte hinter den Löwen rangiert und somit einen Sieg mehr braucht als die Löwen – und Konstanz war für den THW in dieser Saison bekanntlich eher ein Fremdwort. Mitentscheidend wird sein, wie es bei der Handball-EM in Polen laufen wird. Verletzen sich dort Spieler, werden die Karten neugemischt. Gerade die Löwen könnten bei ihrer dünnen Personaldecke Ausfälle nur schwer kompensieren.

Klar ist auch, dass es für die Badener gar nicht so schlecht wäre, wenn nach Kapitän Uwe Gensheimer auch Patrick Groetzki die europäischen Titelkämpfe verpasst. Hört sich krass an, ist aber so. Denn beide – eine entsprechende schnelle Genesung vorausgesetzt – könnten dann im Februar ausgeruht wieder in die Bundesliga starten. Die Zeit wird es zeigen.

THW Trainer Alfred Gislason ist mit seinen Kielern nach diesem Erfolg wieder dran an den Löwen. AS Sportfotos.

Beim THW setzt man derweil nach wie vor ein wenig auf Understatement

Thorsten Storm, der schon bei den Löwen ein Meister im Tiefstapeln war, sagte nach dem Spiel: „Die Löwen sind eine eingespielte Mannschaft, wir befinden uns im Umbruch.“ Was so viel heißen sollte wie: Packen wir es dieses Jahr nicht, wäre es halb so schlimm. Doch das ist eben nur die halbe Wahrheit. Beim Abo-Meister aus dem hohen Norden käme ein Jahr ohne Titel – aus dem DHB-Pokal ist man bereits raus und der Champions League-Titel ist unrealistisch – einer Katastrophe gleich.

Zumal der Etat nach wie vor höchsten Ansprüchen genießt und Spieler wie Niklas Landin, Domagoj Duvnjak, Joan Canellas, Steffen Weinhold und Marko Vujin nun  mal keine Frischlinge sind. Da kann Storm noch so sehr die Bremse treten.

THW Kiel: Toft Hansen (1),  Dissinger (8), Ekberg (4), Anic, Canellas (9), Dahmke (1), Vujin (6/2), Oprea (2).
Rhein-Neckar Löwen: Schmid (4/3), Sigurmannsson (5), Baena Gonzales (4), Steinhauser (1), Larsen (3), Groetzki (1), Reinkind (1), Ekdahl du Rietz (1).

Spielverlauf:  1:2 (5.),  7:5 (15.), 9:5 (20.), 12:9 (Halbzeit), 15:11 (35.), 20:14 (46.), 24:15 (50.) 29:17 (55.), 31:20 (Endstand).

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