"Uns ist lieber unter den ersten sechs Teams zu spielen, als um den Abstieg / Hoffenheim auf Champions-League Kurs?
„Uns ist lieber unter den ersten sechs Teams zu spielen, als um den Abstieg / Hoffenheim auf Champions-League Kurs?
Archiv 1. Bundesliga (Fußball) | erstellt am Mi 09.05.2012
Das Trainerduo arbeitete schon seit mehreren Jahren erfolgreich zusammen. Zum Saisonende, nach dem letzten Bundesligaspiel in Berlin, sprachen wir mit Rainer Widmayer (Foto rechts) über die alte und neue Mannschaft von 1899 Hoffenheim.
Sportkurier: An der Seite von Markus Babbel trainierten Sie in Stuttgart, Berlin und jetzt in Hoffenheim. Was ist Herr Babbel für ein Typ?
Rainer Widmayer: Markus ist das Hirn der Mannschaft, ein Typ, der beim Training oder Spiel viel überlegt, viel sieht und dabei sehr oft entsprechend richtig bei seinen Entscheidungen handelt. Als Profi spielte er meist bei Vereinen, die immer um Titel spielten. Dies hat ihn nachhaltig geprägt.
Sportkurier: Sie trainieren die Mannschaft, Herr Babbel beobachtet und ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Rainer Widmayer: Bei uns ist die Arbeitsaufteilung gut abgesprochen. Er überwacht das Ganze und trifft die
endgültige Entscheidungen. Vor und nach dem Training sprechen wir alles zusammen ab und sind uns hier meistens auch einig.
Sportkurier: Die Mannschaft steht am Saisonende auf dem gleichen Tabellenplatz wie bei ihrem Amtsantritt.
Rainer Widmayer: Für die Mannschaft war wichtig den Klassenerhalt so früh wie möglich zu sichern. Die Auswärtssiege in Gladbach, Wolfsburg und Kaiserslautern waren hierfür sehr wichtig. Die Art und Weis, wie wir zu Hause den HSV mit 4:0 Toren besiegten, war klasse. Da wollen wir hinkommen. Zuletzt war das Team nicht mehr in der Lage, die nötigen Energiereserven und Anstrengungen abzurufen und in der Tabelle oben rein zu rutschen.
Sportkurier: 1899 fährt bei seiner Zielausrichtung einen unverständlichen Zick-Zack-Kurs. Vom gesicherten Mittelfeldplatz nun in Richtung Champions-League. Dieses Ziel ist hoch angesiedelt.
Rainer Widmayer: Markus Babbel hat auf sehr hohem Niveau gespielt, mehr Spiele gewonnen als verloren, keine Saison bestritten ohne etwas erreicht zu haben. Dass so ein Mensch visionäre Ziele und ein spezielles Gewinner-Gen in sich hat, ist doch verständlich. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auf junge Spieler weiter setzen werden. Um gewisse höhere Ziele zu erreichen, benötigt jede Mannschaft einige Eckpfeiler. Und einige dieser Eckpfeiler holen wir uns. Der Etat wird dabei der gleiche sein wie zuletzt.
Sportkurier: Setzen Sie sich durch diese hohe Zielsetzung nicht zusätzlich unter Druck?
Rainer Widmayer: Wenn wir am Ende um einen Platz zwischen drei und sechs kämpfen, ist dieser Druck weitaus angenehmer als der, den viele Mannschaften in den unteren Abstiegsregionen aushalten müssen. Wir müssen optimistisch sein und von Spiel zu Spiel denken. Was später dabei heraus kommt wird sich zeigen.
Sportkurier: Für große Irritationen sorgte die Verpflichtung von Torhüter Tim Wiese für Publikumsliebling Tom Starke.
Rainer Widmayer: Diese Geschichte hat dem Verein bundesweit geschadet. Die Verpflichtung Wieses wurde von einer lokalen Zeitung bereits als sicher verbreitet, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts entschieden war. Dadurch ist schon im Vorfeld viel Negatives vermeldet worden. Wir sind der Auffassung, dass wenn man die Nummer zwei der Nationalmannschaft ablösefrei bekommen kann auch handeln muss. Wiese ist ein klasse Torwart und wird uns bei der Verwirklichung unserer Ziel sehr hilfreich sein.
Sportkurier: Starke zählte zu den besten TSG-Spielern der Saison, kassierte wenig Gegentreffer. Trotzdem plant man ohne ihn.
Rainer Widmayer: Tom Starke hat eine sehr gute Saison gespielt. Es stimmt nicht ganz, dass wir ohne ihn planen. Tom hat bei uns noch ein Jahr Vertrag und meiner Meinung muss er diesen auch erfüllen. Die Situation, dass wir zwei sehr gute Torhüter haben, die um die Nummer eins kämpfen, kann uns nur recht sein. Ein gesunder Konkurrenz ist leistungsfördernd.
Sportkurier: Was fehlt ihrer Meinung nach Ihren Stürmern, um den nötigen Torinstinkt und mehr Treffsicherheit zu bekommen?
Rainer Widmayer: Hier ist noch viel Trainingsfleiß von Nöten. Kurioserweise treffen unsere Stürmer im Training sehr oft ins Tor. Der entsprechende Druck im Spiel ist für den einen oder anderen natürlich weitaus größer. Natürlich ist der Erfolg eines Stürmers auch davon abhängig, wie sehr ihn die Mannschaft unterstützt, kreativ spielt und entsprechende Chancen herausspielt. Mit dem Schweizer Neuzugang Eren Derdyok haben wir im Angriff zusätzlich an Qualität gewonnen.
Sportkurier: Ihre Mannschaft könnte bei besserer Chancenverwertung in der Tabelle viel weiter oben stehen.
Rainer Widmayer: Das wissen wir. Dennoch können wir nichts daran mehr ändern, die Saison ist gelaufen. Wir müssen dies abhacken, nach vorne blicken und es mit den neuen Spielern einfach besser machen. Deshalb ist es wichtig im Vorfeld besser aufgestellt zu sein. Spieler, die uns hierbei helfen können, haben wir im Visier.
Sportkurier: Sie klingen sehr zuversichtlich.
Rainer Widmayer: Mit Kevin Volland und Eren Derdyok haben wir bereits zwei neue Offensivkräfte geholt, die die Bundesliga kennen und auch unsere Sprache sprechen. Dadurch haben wir ein halbes Jahr Vorsprung. Eingewöhnzeit, fehlende Sprachkenntnisse, andere Kultur, neue Spielweise sind dann keine Zeitfaktoren mehr.
Sportkurier: Der Kader soll von 40 auf 25 Profis reduziert werden.
Rainer Widmayer: Natürlich können wir aus finanziellen Aspekten nicht einfach Spieler dazu holen, ohne andere abzugeben. Wenn wir einen Schritt in der sportlichen Entwicklung nach vorne gehen wollen, müssen wir entsprechend handeln.
Zur Person von Rainer Widmayer
Geboren: 02. April 1967 in Sindelfingen
Nationalität: Deutsch
Größe: 1,85 m, Gewicht: 83 kg
Sternzeichen: Widder
Familienstand: verheiratet
Hobbys: Musik, Autos, Skifahren
Sportliche Stationen: Als Spieler: Bis 1993 1. FC Pforzheim (Oberliga), 1993-1994 TSF Ditzingen (Oberliga), 1994-1995 VfR Pforzheim (Oberliga), 1995-1997 SpVgg 07 Ludwigsburg (Regionalliga Süd), 1997-1999 SSV Ulm (Regionalliga und 2. Bundesliga)
Als Trainer: 2000-2006 VfB Stuttgart II, 2006-2007 Co-Trainer bei Grasshopper Club Zürich, 2007-2008 Co-Trainer FC St. Gallen, 2008-2009 Co-Trainer VfB Stuttgart, 2010-2011 Hertha BSC Berlin, seit Febr. 2012 TSG 1899 Hoffenheim
Foto 2+3: BWA Foto 1: Rhein-Neckar Picture