Hopp: "Der Verein ist nicht mein Spielzeug"
Hopp: „Der Verein ist nicht mein Spielzeug“
Archiv 1. Bundesliga (Fußball) | erstellt am Di 07.02.2012
1899 Hoffenheim macht in diesem Winter vor allem mit den Verkäufen der Leistungsträger Vedad Ibisevic und Chinedu Obasi auf sich aufmerksam. Gefällt Ihnen das?
Dietmar Hopp: Ibisevic und Obasi gehören zu den früheren Stars, die in völliger Überschätzung der Möglichkeiten unseres Klubs sehr hohe Gehälter erhalten haben. Wir wollen unseren Personaletat bis auf 30 Millionen Euro senken. Deshalb waren die Transfers wirtschaftlich sinnvoll.
Mit Srdjan Lakic wechselte ein Angreifer als Leihspieler kurz vor Ende der Wechselperiode. Wie ist dieser Transfer zu erklären?
Nach dem ungeplanten Abgang von Ibisevic schon jetzt im Winter, war ein gefährliches Vakuum in der Sturmmitte entstanden. Wir haben lange darum gerungen, eine Lösung zu finden, die sportlich und wirtschaftlich passt. Jetzt sind wir erst mal zufrieden, die Position auf Leihbasis bis zum Sommer besetzt zu haben. Lakic ist ein ausgezeichneter Spieler, der gut zu uns passt.
Darüber hinaus sorgte ihr Verein noch mit der Verpflichtung des 13-Jährigen Niko Franke für Schlagzeilen? Waren Sie darüber sogar ein bisschen froh? Immerhin wurde dadurch die achtzehn99 AKADEMIE thematisiert.
Nein, darüber kann ich nicht froh sein. Die Darstellung war einfach viel zu sehr von übertriebener Sensationslust geprägt. Zumal der erhobene Vorwurf überhaupt nicht stimmt. In diesem Fall haben wir den Spieler und die Familie mit einer sozialen Wohltat unterstützt. Der Spieler ist ja nicht eingesperrt, er kann jederzeit wieder gehen. Wenn er seine Familie zu sehr vermisst und deshalb wieder weg will, werden wir ihn auf keinen Fall aufhalten. Ich bin mir aber sicher, dass das nicht passieren wird. Denn wir bieten dem Jungen ein tolles Paket. Ihm geht es gut. Dafür sorgen auch die Mitarbeiter meiner Stiftung „Anpfiff ins Leben“ und eine erfahrene Gastfamilie.
Die Stiftung und das Förderkonzept wurden in diesem Zusammenhang auch gelobt.
Die Anerkennung für unsere Jugendarbeit hat mir schon gefallen. Sie kam ja schließlich aus berufenem Munde. Jürgen Klopp hat sich zum Beispiel sehr positiv geäußert. Auch andere sind uns zur Seite gesprungen. Das tat gut.
Mit ihrem Angebot haben Sie andere Bundesligisten hinter sich lassen können. Macht Sie das stolz?
Nein, stolz nicht. Es gibt sicher auch andere Fälle, in denen sich Spieler nicht für Hoffenheim entscheiden. Es zeigt aber, dass wir das Vertrauen der Eltern genießen und wir ihrer Ansicht nach auf Augenhöhe mit den großen Klubs der Bundesliga sind.
Was ist in Hoffenheim besser als in anderen Vereinen?
Ich glaube im schulischen Bereich sind wir ganz weit vorne. Da bieten wir mit der DFB-Eliteschule in Sinsheim etwas, das es so kaum noch einmal gibt. Dort sind alle Schulformen vertreten. Jeder Schüler kann also frei nach seinen Vorstellungen und Talenten wählen.
Sind Sie im Jugendbereich so aufgestellt, wie Sie sich das vorstellen?
In dem Bereich sind wir auf der Höhe, da brauchen wir keine weiteren Veränderungen. Wir haben in diesem Bereich mit Bernhard Peters einen Mentor, der mit Konsequenz und guten Ideen die Jugendarbeit vorantreibt. Das ist in meinen Augen auch ein Wettbewerbsvorteil. Der muss sich aber irgendwann einmal auszahlen.
Indem es Jugendspieler zu den Profis schaffen?
Das ist das Ziel. Wir haben schon einige Spieler im Kader, aber noch nicht genug. Die Infrastruktur im Nachwuchsbereich ist erst seit zwei Jahren so, dass man wirklich von guten Bedingungen reden kann.
Wo sehen Sie das Hauptproblem für die Jugendarbeit von 1899?
Wir werden als relativ neuer Klub in der Bundesliga natürlich besonders beäugt. Da heißt es dann, Hoffenheim kauft mit Geld alles. Das ist absolut nicht der Fall. Wir bleiben fair im Wettbewerb. Junge Spieler mit Geld füttern, das würde völlig gegen die Prinzipien von „Anpfiff ins Leben“ gehen. Das gibt es bei uns nicht.
Weite Teile der Öffentlichkeit setzen 1899 Hoffenheim immer noch mit dem Geld von Dietmar Hopp gleich.
Mein Ziel war immer, also schon zum Start, dass der Verein irgendwann einmal eigenständig wirtschaften kann. Das Ziel Bundesliga war keine Spinnerei von mir alleine. Die Idee entstand im Sportausschuss des Rhein-Neckar-Kreises, in dem viele Unternehmen der Region vertreten sind. Ich hatte mich damals bereit erklärt, an die Spitze der Bewegung zu treten. Allerdings unter der Bedingung, dass andere Firmen mit im Boot sind und die Eigenständigkeit angestrebt wird. Beides ist der Fall.
Aber es ist doch ihr Projekt?
Nein, der Verein ist weit davon entfernt, ein Spielzeug von mir zu sein. Ich habe andere Spielzeuge. Meinen Golfschläger zum Beispiel.
Sie haben angekündigt ihre finanzielle Unterstützung 2014 zu beenden.
So habe ich das nie gesagt. Ich habe gesagt, ich schätze, in drei bis vier Jahren wird der Verein im Sinne von Financial Fairplay unabhängig von mir sein. Das betrifft die Kosten der Lizenzspieler-Mannschaft. Es geht beim Financial Fairplay nur um die Gegenüberstellung der operativen Kosten und der Erlöse in diesem Bereich. Die Kosten des Trainingszentrums, des Stadions und der Nachwuchs-Akademie sind vom Financial Fairplay nicht betroffen.
Diese Bereiche wollen Sie also weiter fördern?
Ja, das gehört zu meiner Stiftungs-Philosophie. Meine Stiftung – die mich überleben wird, dafür habe ich gesorgt – wird weiter den Nachwuchs unterstützen, genauso wie sie die Universität Heidelberg, Kindertagesstätten und Altenheime unterstützt. Außerdem wird sie weiter in Bildung und Ausbildung investieren.
Beim DFB dauerte es zehn Jahre, bis die umstrukturierte Jugendarbeit Früchte abwarf. Wann rechnen Sie mit ersten Erfolgen?
Wir haben einige Nationalspieler in den Nachwuchsmannschaften. Ich glaube, dass in drei bis vier Jahren Früchte zu ernten sind. Ich sage nicht, dass dann jedes Jahr drei den Durchbruch schaffen. Mal schaffen es mehr, mal vielleicht auch keiner. Wenn wir auf einen Saisonschnitt von ein bis zwei kommen, dann ist das gut. Rechnet man dann eine Verweildauer von sechs Jahren im Verein, haben wir acht oder neun Spieler aus der eigenen Jugend in einem 25er-Kader. Das ist gut und auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit.
Ist das der neue Weg von Hoffenheim, über Nachwuchsarbeit zum Ziel zu kommen?
Es ist eigentlich der alte Weg. Für mich war das immer der wahre Weg. Dass dieser Weg durch den rasanten Durchmarsch durch die 2. Liga und dem furiosen ersten Halbjahr in der Bundesliga verlassen wurde, lag sicherlich an der Euphorie. Auch ich war damals sehr euphorisch. Der schnelle Erfolg hat uns allen sicherlich nicht gutgetan. Wir haben in dieser Zeit schlechte Transfers getätigt, die uns heute noch Geld kosten.
1899 Hoffenheim galt anfangs auch als sympathischer, innovativer Klub, der für Teamgeist und begeisternden Fußball stand. Was ist da schief gelaufen?
Für mich liegen die Ursachen im Erfolg. Nach der überragenden Halbserie haben einige erstmal das süße Leben genossen und sich im Erfolg gesonnt. Die halbe Mannschaft war damals in der Winterpause in New York unterwegs und kam erkältet zurück, bei Vedad Ibisevic riss in der Vorbereitung das Kreuzband und Carlos Eduardo wurde nach einem kleinen Ringkampf mit Ivica Olic im Testspiel gegen den HSV gesperrt. In dieser Rückrunde ist die Mannschaft gestrauchelt. Der Teamgeist ist verloren gegangen, es gab Missstimmungen und entsprechend sind auch die Leistungen schlechter geworden. Davon haben wir uns nicht mehr richtig erholt.
Gibt es noch andere Gründe?
Nach der ersten Bundesliga-Saison gab es dann die bereits angesprochenen Fehlinvestitionen auf dem Transfermarkt. Der Erfolg blieb aus und das Ansehen und die Beliebtheit schwanden. Anerkennung müssen wir uns hart verdienen. Derzeit sieht man uns sicherlich besonders kritisch. Man dichtet uns an, wir würden nach Belieben Spieler kaufen. Das ist längst vorbei. Wir sind wieder zurückgekommen auf den ursprünglichen Weg.
Welchen Anteil haben Sie an der unbefriedigenden Entwicklung?
Ich habe meine Aufsichtspflicht vernachlässigt. Die hatte ich zwar offiziell nicht. Ich hätte sie aber doch wahrnehmen sollen, denn es war ja mein Geld. Die Kurskorrektur ist jedenfalls eingeleitet. Wir setzen zukünftig auf gute Nachwuchsarbeit und wollen über attraktiven Fußball die Sympathien zurückgewinnen.
Dient die Nationalmannschaft als Vorbild?
Die DFB-Auswahl ist wirklich umwerfend, ein absolutes Vorbild. Sie ist jung, spielt begeisternden Fußball und ist sympathisch. Es ist phantastisch, was der DFB nach der Pleiten-EM 2004 auf die Beine gestellt hat. Wie sich das Nationalteam und die Nachwuchsarbeit entwickelt haben, finde ich toll.
Sie wollen aktiv das Klub-Image verbessern. Welches Bild von 1899 Hoffenheim wünschen Sie sich denn in der öffentlichen Wahrnehmung?
Ich möchte alles das sehen, für das der Verein schon einmal stand: Also dass wir ein innovativer Klub sind, der sich Fairness auf die Fahnen geschrieben hat und schönen Fußball spielt. Und sportlich sehe ich uns auf einem einstelligen Tabellenplatz in der Bundesliga.
Haben Sie sich schon einmal mit dem Thema 2. Liga auseinandergesetzt?
Nein, das werde ich nicht tun. Die bösen Geister will ich erst gar nicht rufen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir die 2. Liga nicht thematisieren müssen.
Sie sind sich also sicher, dass die Mannschaft das Potenzial hat, jegliche Abstiegsgefahr zu vermeiden?
Ja, auf jeden Fall. Die Mannschaft hat auch ohne die Abgänge in der Winterpause das Potenzial. Die Spieler müssen das einfach nur abrufen. Ich bin mir sehr sicher, dass Holger Stanislawski das hinbekommt. Ich halte ihn für einen exzellenten Trainer.
Quelle: achtzehn99.de
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