Der Sportkurier im Interview mit Hoffenheims Torhüter Heurelho Gomes
Der Sportkurier im Interview mit Hoffenheims Torhüter Heurelho Gomes
Archiv 1. Bundesliga (Fußball) | erstellt am Do 07.03.2013
Heurelho Gomes (31), bis Sommer von Tottenham Hotspurs ausgeliehener Ex-Nationaltorwart Brasiliens, hat in den bisherigen Rückrundenspielen nicht nur einen tollen Job gemacht sondern sich auch durch seine natürliche und emotionale Ausdrucksart in die Herzen der Fans gespielt. Im Sport-Kurier-Interview ist einiges über den bislang in der Bundesliga noch unbekannten Torhüter zu erfahren.
Sportkurier: Mit welchen Gefühlen haben Sie, die zunächst auf fünf Monate begrenzte Aufgabe in Hoffenheim angetreten?
Heurelho Gomes: Für mich war von Anfang an klar, dass das Engagement nur auf die Rückrunde beschränkt ist, deshalb gilt die ganze Konzentration auf diese Spiele. Der Transfer kam durch den guten Kontakt zu Manager Andreas Müller zustande, der mich bat, dem Verein in dieser Situation zu helfen.
Sportkurier: Aufgrund Ihrer jahrelangen Erfahrung als brasilianischer Nationaltorwart können Sie der jungen, verunsicherten Mannschaft sehr hilfreich sein. Sprachliche Barrieren sind da leider hinderlich.
Heurelho Gomes: Natürlich würde ich gerne deutsch sprechen, um mit den richtigen Wörtern mit meinen Mitspielern zu kommunizieren, ihnen wichtige Ratschläge aus meiner langjährigen Erfahrung weiter zu geben. Die sprachliche Barriere ist aufgrund der Englisch- und Spanisch- Kenntnisse bei einigen Spielern dennoch nicht zu groß. Für mich ist wichtig, dass meine Kollegen die Inhalte, die ich vermitteln möchte, auch annehmen. Die richtige Körpersprache spielt dabei eine zusätzliche Rolle, denn im Fußball gibt es nur eine Sprache.
Sportkurier: Als was für einen Typen von Torwart würden Sie sich bezeichnen?
Heurelho Gomes: Ich sehe mich eher als aktiven Torhüter, der versucht am Spiel teilzunehmen, Sicherheit auszustrahlen, Präsenz im Strafraum zu zeigen und den Verteidigern damit zu helfen. Da ich als letzter Mann das Spiel vor mir habe, versuche ich spielerisch Einfluss beim Spielaufbau zu nehmen. Ich konzentriere mich das gesamte Spiel über konsequent auf das Geschehen, um auf jede Situation entsprechend vorbereitet zu sein.
Sportkurier: Sie wirkten nach Toren sehr emotional, suchen den Kontakt zu den Fans.
Heurelho Gomes: Bei allen Vereinen, wo ich bisher war, hatte ich immer ein sehr gutes Verhältnis zu den Fans und war auch sehr populär. Die Begeisterung der Fans im Stadion muss sich auf die Mannschaft und auch umgekehrt übertragen. Dies muss eine Einheit sein und von Herzen kommen. Beim Fußball sind Emotionen sehr wichtig.
Sportkurier: In Reihen der Hoffenheimer Mannschaft war dies zuletzt nicht erkennbar.
Heurelho Gomes: Das ist mir auch schon aufgefallen. Jedem muss klar sein, je mehr er den Fans gib, desto mehr bekommt er zurück. Ich möchte hier noch mehr in die Vorbildfunktion treten und meine Mitspieler dahingehend motivieren, sich mehr zu öffnen.
Sportkurier: Sie verfügen über eine sehr gute Strafraumbeherrschung bei hohen Bällen. Dies war zuletzt eher Hoffenheims Problem.
Heurelho Gomes: Wenn ein Torhüter eine gute Strafraumbeherrschung hat und sicher bei hohen Bällen ist, überträgt sich dies auch auf die Mannschaft und gibt Sicherheit. Mein Ziel ist es, nach eigener Balleroberung, möglichst das Spiel nach vorne schnell zu machen und somit Einfluss beim Spielaufbau zu nehmen. Natürlich ist dies alles nur situationsbedingt durchführbar.
Sportkurier: Nach sieben Rückrundenspielen konnte nur ein Sieg verbucht werden. Zu wenig, um die Klasse zu halten.
Heurelho Gomes: Die Mannschaft muss nach den Niederlagen der letzten Wochen endlich eine Reaktion zeigen. In den ersten Rückrundenspielen sind wir sehr engagiert und leidenschaftlich aufgetreten. In den wichtigen Spielen gegen Stuttgart und Augsburg war dies leider nicht mehr der Fall, man hat sich gehen lassen und nicht entsprechend gewehrt. So kann man im Abstiegskampf nicht bestehen. Der Einsatz gegen die Bayern stimmte aber wieder zuversichtlicher.
Sportkurier: Wie ist es zu erklären, dass sie Mannschaft in den wichtigen Abstiegsduellen so kläglich versagte? Der Ernst der Lage sollte doch allen bewusst sein.
Heurelho Gomes: Man kann ein Spiel verlieren, aber man darf es nicht verschenken. Die Einstellung muss stimmen, sonst hast du schon vor dem Spiel verloren. Nach Abpfiff des Spiels muss man als Profi das Gefühl haben, alles für den Erfolg getan zu haben. In den Spielen gegen Stuttgart und Augsburg haben wir nicht gegen den Gegner verloren, sondern wir haben uns selbst geschlagen.
Sportkurier: Jedem sollte doch angesichts dieser prekären Situation bewusst sein, dass es um das nackte Überleben geht.
Heurelho Gomes: Viele unserer Spieler kommen mit der momentanen Situation, auch aufgrund der Unerfahrenheit im Abstiegskampf, nicht klar. Zuletzt habe ich aber gespürt, dass ein Großteil der Mannschaft endlich begriffen hat, um was es wirklich geht. Fußball ist nicht nur Qualität, man muss auch mit Herz und Verstand dabei sein. Es müssen nicht immer schöne Spiele sein, wichtig ist, dass am Ende gewonnen wird.
Sportkurier: Hand aufs Herz. Glauben Sie noch fest an den Klassenerhalt?
Heurelho Gomes: Mit jeder weiteren Niederlage wird es natürlich immer schwieriger. Der Abstand zum Relegationsplatz beträgt nun schon fünf Punkte. Der Glaube ist immer noch da und ich denke, dass dies in den noch ausstehenden zehn Partien machbar ist.
Zur Person: Heurelho da Silva Gomes
Geboren: 15. Februar 1981 in Joáo Pinheiro (Brasilien) – Größe: 191 cm
Sportliche Stationen:
2002-04 Cruzeiro Belo Horizonte (59 Spiele)
2004-08 PSV Eindhoven (128 Spiele)
seit 2008 Tottenham Hotspurs
seit 1/2013 auf Leihbasis bei 1899 Hoffenheim
seit 2003 zehn Einsätze für die brasilianische Nationalmannschaft
Foto 1 BWA Foto 2 Rhein-Neckar Picture