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Kenan Kocak hinterlässt beim SV Waldhof „keine verbrannte Erde“ +++ „Habe kein schlechtes Gewissen“
Waldhof Mannheim | erstellt am Do. 07.07.2016
Ein Teil der Fangemeinde der Blauschwarzen trat teilweise heftig nach, war man doch über den Zeitpunkt seines Abgangs, so kurz vor Saisonbeginn und insbesondere nach der jüngst unterzeichneten Vertragsverlängerung, enttäuscht und verärgert.
Andere hingegen konnten den Wechsel zu einem Zweitligisten nachvollziehen, denn diese Chance im bezahlten Profifußball trainieren zu können und damit zur Elite der Trainergilde aufzusteigen, die hätte sich auch wohl kein anderer entgehen lassen.
Kurzer Rückblick
Kenan Kocak übernahm im Sommer 2013 das Traineramt und das des Sportlichen Leiters. „Nimm 2“, damit ist nicht das bekannte Lutschbonbon gemeint, sondern die Doppelfunktion, die der Ex-Waldhofcoach drei Jahre lang begleitete.
Mit einem anfangs eher bescheidenen Jahresetat gelang es Kocak, den ehemaligen Bundesligisten 2013/2014 nicht nur in der Regionalliga zu halten, sondern in das erste Drittel der Ligatabelle zu führen (5.). Einer mittelmäßigen Platzierung in der Spielzeit 2014/2015, folgte 2015/2016 die Meisterschaft in der Regionalliga Südwest.
Kenan Kocak bei der damaligen Vorstellung (7.2013) als neuer Waldhof-Coach. Von links nach rechts Steffen Künster, Kenan Kocak, Klaus Hafner. AS Sportfotos
Dass es mit dem Aufstieg in die 3. Bundesliga nicht klappte, hatte zwei Gründe. Einerseits lag es an der unfassbaren DFB-Regelung, dass Meister der Regionalligen nicht zwangsläufig aufsteigen – andererseits am Scheitern in den Aufstiegsspielen. Mit den Sportfreunden Lotte hatten es die Mannheimer mit einem sehr starken Gegner zu tun, der im Rückspiel im Mannheimer Carl-Benz-Stadion letztendlich verdient als Sieger hervorging. Die Enttäuschung über den verpassten Aufstieg in Liga Drei, die saß tief, bei Kocak selbst, aber auch bei den Fans.
Jetzt kam der überraschende Wechsel von Kenan Kocak zum SV Sandhausen zustande.
Wir haben uns deshalb auch noch einmal etwas ausführlicher mit Kenan Kocak unterhalten.
Guten Tag Herr Kocak. Die Wellen schlugen kurz nach Bekanntgabe Ihres Wechsels zum Zweitligisten SV Sandhausen recht hoch. Sie wurden von den Fans teilweise heftig kritisiert.
Kenan Kocak: Ja, das war sicher so und ich habe selbstverständlich für die Enttäuschung vieler Fans Verständnis. Da ging es teilweise jedoch auch „unter die Gürtellinie“. Andererseits freute es mich auch, sehr viel Zustimmung und Verständnis für meine Entscheidung erhalten zu haben. Ich habe beim SV Waldhof „keine verbrannte Erde“ hinterlassen, habe daher auch kein schlechtes Gewissen. Da ist ein starkes und intaktes, als auch pflegeleichtes Team vorhanden, so dass auch in der neuen Saison die Zuschauer sicherlich einen sehr guten Fußball geboten bekommen.
Kurz nachgehakt: Sie hatten den Vertrag jüngst mit dem SV Waldhof verlängert. Das Interesse anderer, höherklassiger Vereine, war doch schon vorher vorhanden. Warum dann die vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2019?
Kenan Kocak: Es waren einige höherklassige Vereine aus der 3. Bundesliga, die an mir interessiert waren. Ich hätte sicher für „kleines Geld“ den Verein direkt nach der Saison verlassen können. Aber für mich kam das nicht in Frage, denn wegen einer Spielklasse höher, hätte ich keine Veranlassung gesehen, das Lager zu wechseln. Dass ein Zweitligist konkretes Interesse an mir hatte, war zum damaligen Zeitpunkt nicht der Fall und war auch nicht abzusehen. Somit stand einer Vertragsverlängerung auch nichts im Wege. In der Nachbetrachtung war die Vertragsverlängerung auch für den SV Waldhof sehr gut, denn so bekommt der Club jetzt eine doch nicht unerhebliche Ablösesumme für mich.
Kenan Kocak will den Zweitligisten mit attraktivem Fußball weiterhin in der Liga halten. AS Sportfotos
Der SV Waldhof wusste um ihre Ambitionen, irgendwann höherklassig trainieren zu wollen?
Kenan Kocak: Man wusste, dass ich das Ziel habe, irgendwann im Profifußball zu trainieren. Daher war auch für den Verein nachvollziehbar, warum ich dem SV Sandhausen meine Zusage geben wollte. Dem Präsidium, Vorstand und insbesondere Klaus Hafner möchte ich an der Stelle für eine tolle Zusammenarbeit und für die Zustimmung zum Vereinswechsel danken. Klaus Hafner kommt in der Außendarstellung nicht immer so gut weg, wie er es eigentlich verdient hätte. Er ist ungemein wichtig für den Verein.
Gab es bei den Transfergesprächen zwischen den Vereinen Probleme?
Kenan Kocak: Überhaupt nicht. Ich hatte dem Vorstand meinen Wunsch vorgetragen, gerne zum SV Sandhausen wechseln zu wollen. Hätte man einem Transfer aufgrund der Vertragssituation nicht zugestimmt, wäre ich selbstverständlich beim SV Waldhof geblieben und hätte meine Arbeit mit dem gewohnten Engagement fortgeführt. Auch der SV Sandhausen hätte bei einem „Veto“ des Vereins seine Bemühungen um mich, sofort eingestellt. Dem SV Waldhof danke ich sehr, meinem Wunsch entsprochen zu haben.
Waren Sie bis zuletzt in die Transferverhandlungen mit etwaigen Neuzugängen involviert?
Kenan Kocak: Ja, ich habe die Gespräche mit den Spielern geführt und es liegt jetzt am Verein, die Transfers durchzuführen oder nicht. Es wird wohl jetzt auch so sein, dass ein neuer Trainer seine eigenen Vorstellungen einfließen lässt. Ob da nun vorgesehene Transfers auch so umgesetzt werden, entzieht sich meiner Kenntnis.
Mit Manager Otmar Schork hat Kocak einen erfahrenen Manager an seiner Seite. AS Sportfotos
Wie werten Sie ihre 3 Jahre beim SV Waldhof?
Kenan Kocak: Sehr positiv. Ich hatte eine schöne Zeit und bin dem Verein dankbar, mir damals als auch noch jungem Trainer, die Chance gegeben zu haben, dort zu arbeiten. Ich denke, ich habe das in mich gesetzte Vertrauen, dem Verein in einer doch recht schwierigen Zeit, mit harter und auch erfolgreicher Arbeit zurückgezahlt. Wir haben sportlich gesehen eine tolle Entwicklung genommen. Man ist wieder zu einer „Marke“ geworden und spricht mit Respekt und Anerkennung vom SV Waldhof. Ich wünsche dem Club auch für die Zukunft den ultimativen Erfolg.
Ihr Vertrag beim SV Sandhausen ist bis zum 30.06.2018 datiert. Ihr erster Eindruck und ihre Ziele beim SVS?
Kenan Kocak: Der Kader ist in Sandhausen gut zusammengestellt. Die Jung’s haben eine sehr gute Arbeitsauffassung und Mentalität. Es gilt jetzt, eine Spielidee zu entwickeln, die attraktiven und erfolgreichen Fußball mit sich bringt. Mit diesem professionellen Umfeld und sehr gut geführten Verein ist in Sandhausen Einiges möglich. Ich kann mich hier vollumfänglich auf meine Trainertätigkeit konzentrieren, da ich mit Otmar Schork einen erfahrenen Manager an meiner Seite habe. Wichtig ist jetzt das Kennenlernen der Spieler. Dafür haben wir in der Vorbereitung zur neuen Saison noch ausreichend Zeit.
Wie schätzen Sie die 2. Bundesliga insgesamt ein?
Kenan Kocak: Es ist die stärkste 2. Liga weltweit, das ist bekannt. Da tummeln sich jede Menge ambitionierter und sehr starker Mannschaften. Mit den Bundesligabsteigern Hannover 96 und VfB Stuttgart hat die Liga nochmal an Qualität zugelegt. In der Spielklasse ist die Leistungsdichte auch so dicht beieinander, so dass „jeder, jeden schlagen kann“. Und wir wollen als SV Sandhausen natürlich auch in dieser starken 2. Bundesliga, erfolgreich mithalten.
Das Auftaktprogramm hat es in sich…
Kenan Kocak: Ja, in der Tat. Fortuna Düsseldorf (H), Erzgebirge Aue (A) als Aufsteiger, VfB Stuttgart (H), 1. FC Kaiserslautern (H) und Eintracht Braunschweig (A), das ist schon ein schweres Auftaktprogramm. Aber es ist eine spannende Aufgabe, für mich als Trainer und für das Team. Wir wollen darauf hinarbeiten, einen guten Saisonstart hinzulegen.
Vielen Dank für das Gespräch. Für die Saison beim SV Sandhausen wünschen wir Ihnen viel Erfolg.
Kenan Kocak. Gerne geschehen, Vielen Dank.
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