
Bsp.-Foto: Rix
Schiedsrichter Michael Schwechheimer im Interview +++ Dinge wie Religion, Politik und Hautfarbe haben auf dem Platz nichts verloren
Verbandsliga | erstellt am Do. 26.01.2017
Denn irgendwie ist es eine undankbare Aufgabe. Häufig steht man in der Kritik. Manchmal zurecht, oft aber eben auch zu unrecht. Und gerade die Schiedsrichter in unteren Klassen haben es mitunter nicht leicht.
Michael Schwechheimer (Foto rechts / Privatbild) ist so einer. Seit 2010 pfeift er im Fußballkreis Mannheim von der Kreisliga abwärts oder in der Jugend-Verbandsliga.
Wie man sich da so fühlt, wollte der sport-kurier von ihm wissen und führte ein Interview mit dem 58-Jährigen, der hauptberuflich als Energieanlagen-Elektroniker bei Mercedes Benz arbeitet.
Hallo Herr Schwechheimer, wie kam es denn dazu, dass Sie Schiedsrichter geworden sind? Haben Sie selbst mal Fußball gespielt?
Ja, das habe ich. Einst habe ich zusammen mit meinem Bruder alle Jugend-Mannschaften beim SV Waldhof Mannheim durchlaufen. Meinen Bruder kennt man aber eher, er hat damals das Tor zum 1:0-Sieg der Weinheimer im DFB-Pokal gegen Bayern München geschossen. Ich selbst habe nach der Zeit beim SV Waldhof noch in Schönau, Dossenheim und schließlich beim VfB Gartenstadt gespielt, wo ich als Trainer tätig war und mit 42 nochmals ein Comeback gestartet habe. Dann haben mich aber Hüftprobleme zum Aufhören gezwungen. Das war ein Schock und ich habe mich 2009 dazu entschlossen, an einer Schiedsrichterausbildung teilzunehmen. Denn ganz ohne Fußball geht es einfach nicht (lacht).
Wie oft pfeifen Sie denn in der Woche?
Ich schaue, dass es nie mehr wie ein Spiel wird. Wobei es natürlich auch Ausnahmen gibt. Mir macht es auch wirklich Spaß als Schiedsrichter. Du lernst viele neue Leute kennen und triffst manchmal nach vielen Jahren wieder auf Spieler, die du einst selbst mal trainiert hast.
Spaß ist das Eine. Aber man ist häufig doch auch der Buhmann…
Ja, das stimmt leider. Doch ich muss sagen, dass es eigentlich besser wurde. Seit dem Morgenmasters vor vier Jahren, das kurz vor dem Abbruch stand, war der gegenseitige Respekt wieder da. Aber mittlerweile merkt man deutlich, dass es eben wieder in die andere Richtung geht. Seit ein paar Monaten ist das so. Zu spüren bekam man das erst kürzlich wieder beim GBG-Cup für AH-Mannschaften im Rahmen des Morgenmasters. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber da wurde ein Schiedsrichter-Kollege von mir von einem Verbandsliga-Trainer und anderen Spielern massiv angegangen. Sie standen an einem Tisch um ihn herum und haben ihn bearbeitet. Er war sogar so, dass es danach einen Aufruf per Mikrofon in der Halle gab, in dem zum Fairplay aufgerufen wurde. Ich war bei diesem Turnier selbst als Schiedsrichter im Einsatz.
Sind Sie auch bei Jugend-Turnieren in der Halle im Einsatz?
Ja. Im Nachwuchsbereich wird ja immer nach Futsal-Regeln gespielt. Das Problem ist, dass die eben nicht jeder kennt. Da wird anders gepfiffen. Deshalb hatten wir kürzlich zu einer Info-Veranstaltung geladen, auf der die grundlegenden Unterschiede klar angesprochen wurden. Das Problem war, dass es fast keinen interessiert hatte. Kaum jemand war da. Kurz darauf bei den Kreismeisterschaften gab es dann Ärger, weil die Regeln keiner kannte. Wir Schiedsrichter waren dann die Buhmänner – auch für manche Zuschauer, obwohl nach den Regeln verfahren wurde.
Es gibt allerdings auch Kritik von den Vereinen. Gerade bei den Finaltagen des Morgenmasters gab es drei rote Karten, die nicht unbedingt jeder nachvollziehen konnte…
Da kann ich jetzt nichts dazu sagen. Ich habe diese Situationen nicht gesehen. Aber klar ist, dass in der Halle der Spaß im Vordergrund stehen sollte. Wir haben beispielsweise auch strikte Anweisungen, dass wir Aktionen abpfeifen sollen, die sich nahe an der Bande abspielen. Aber das versteht nicht jeder. Es heißt dann: „Aber ich habe doch den Ball gespielt“. Aber eine Grätsche ist in der Halle nun mal nicht erlaubt. Klar ist aber auch, dass auch mal einem Schiedsrichter ein Fehler unterläuft, da steckt dann aber sicher keine böse Absicht dahinter. Auch Dinge wie Religion, Politik und Hautfarbe haben auf dem Fußball-Feld einfach nichts verloren. Das ist Sport.
Wie lautet ihre persönliche Botschaft an Trainer und Spieler?
Wir sollten uns alle mit dem notwendigen Respekt gegenübertreten. Es kann nicht sein, dass die Schiedsrichter bei allem und jedem der „Buhmann“ sind. Ich persönlich entscheide immer nach bestem Wissen und Gewissen, aber dennoch wird selten jemand fehlerfrei entscheiden. Wäre das so, dann würden meine Kollegen und ich nicht in den unteren Spielklassen pfeifen.
Überwiegen die positiven oder negativen Erfahrungen?
Es sind auf jeden Fall die positiven. Es macht Spaß, wenn man nach dem Spiel von beiden Seiten gelobt wird. Das zeigt einem immer wieder, dass man sehr viel richtig macht. Aber der Spaß geht etwas verloren, wenn sich Spieler und Verantwortliche so verhalten, wie es auf dem Fußballplatz nichts verloren hat. Ich glaube hier würde auch ein regelmäßiger Dialog zwischen Verband und Vereinen einiges bewirken können.
Wie schwer ist es denn neue Nachwuchs-Schiedsrichter für den Fußballsport zu begeistern?
Natürlich ist das nicht leicht. Aber es gibt trotzdem einige. Ich habe beispielsweise derzeit einen in meinem Team: Daniel Köhler steht bei mir an der Linie. Er ist erst 13 und wirklich ein großes Talent. Das gleiche gilt für Patrick Mattern. Er ist mittlerweile 20 und auch aus ihm kann wirklich etwas werden. Patrick macht das herausragend.
Im Profibereich soll es demnächst eine Revolution geben. Die Einführung eines Video-Assistenten, der den Schiedsrichter unterstützen soll, scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein. Einige Ihrer Kollegen begrüßen das. Wie sehen Sie das?
Für mich ist das der völlig falsche Ansatz. Aus meiner Sicht ist das schlecht für den Fußball. Er lebt von Emotionen und nun mal eben auch von Fehlentscheidungen. Es ist doch ein Witz über was da mitunter diskutiert wird. Da heißt es dann, dass es abseits war, weil der Stürmer mit seiner Kniescheibe zu weit vorne war. In unteren Klassen ist das doch auch so. Und da ist manchmal nicht mal ein Linienrichter mit dabei. In der Euro League gibt es ja diese Torrichter und selbst die sehen nicht alles.
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