Stefan Groß und Michael Schüssler im Gespräch mit dem Sportkurier

Stefan Groß und Michael Schüssler im Gespräch mit dem Sportkurier

Stefan Groß und Michael Schüssler im Gespräch mit dem Sportkurier

Archiv Regionalliga (Fußball) | erstellt am Di 26.06.2012

Trainer-Ikone Stefan Groß und Koordinator Michael Schüssler hatten fast sechs Jahre die sportlichen Geschicke des Jugendförderzentrums SV Waldhof sehr erfolgreich geleitet. Offiziell ist am 30.06.2012 bei beiden Schluss. Ihren Rücktritt bzw. die Nichtverlängerung der Verträge hatten beide bereits im Februar 2012 frühzeitig mitgeteilt. Mit den beiden geht hohe Qualität bei den Blauschwarzen verloren. Nachfolger Simon Landa und sein Team treten in große Fußstapfen.

Mehrere Aufstiege in die höchste deutsche Spielklasse fallen in die Amtszeit von Groß und Schüssler. Aktuell ist die U 17 von Trainer Bernd Großmann in die Bundesliga Süd/Südwest aufgestiegen. Die U 15 hat den Aufstieg in die Regionalliga geschafft, in dieser Altersklasse ist dies die höchste Spielklasse. Die U 19 ist am letzten Spieltag sehr unglücklich aus der Bundesliga abgestiegen. Nie zuvor musste eine Mannschaft mit 30 erreichten Punkten aus der Bundesliga absteigen.

Foto: Vor dem letzten Heimspiel der Saison (gegen TSG Hoffenheim) wurden Stefan Groß und Michael Schüssler vom Präsidium des SV Waldhof verabschiedet

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Der Sportkurier hat mit Stefan Groß und Michael Schüssler ein Interview geführt.

Sportkurier: Herr Groß und Herr Schüssler. Ihre Amtszeit ist offiziell am 30.06.2012 beendet. Wie ist da ihre derzeitige Gemütslage?

Stephan Groß: Es sind gemischte Gefühle. Auf der einen Seite fällt auch eine große Belastung, ein enormer Arbeitsaufwand weg. Wir haben über Jahre hinweg unter den gegebenen Möglichkeiten „am Anschlag“ gearbeitet. Da verlierst du irgendwann an Substanz. Wir waren immer mit sehr viel Herzblut dabei, ansonsten kann man nicht das Maximale an Leistung abrufen.

Michael Schüssler: Die Gemütslage zu beschreiben fällt noch schwer. Bis jetzt waren wir beide ja noch aktiv eingebunden. Tatsache ist: Der Aufwand der letzten Jahre war hoch, sehr hoch. Und das in Einklang mit dem Beruf zu bringen, wurde immer schwieriger. Hätten wir ein Engagement auf einem normalen Level gezeigt, wären die Erfolge in der Jugendabteilung in dieser Form nicht erfolgt.

Foto: Beim 2:1 Sieg über die TSG Hoffenheim kamen über 1.200 Zuschauer zum Spiel der U 19. Der SV Waldhof hält deutschlandweit den höchsten Zuschauerzuspruch bei den Ligaspielen

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Sportkurier: Viele Spieler sind durch ihre Hände gegangen. Macht es auch stolz zu sehen, wie sich ehemalige Jugendspieler entwickeln?

Stefan Groß: Natürlich macht es einen stolz. Denken wir an Hakan Calhanoglu (KSC), Maurice Hirsch und Ömer Yildirim (TSG Hoffenheim), die Seegert-Zwillinge (Mainz 05 U 19 Bundesliga), Oliver Malchow, Nico Jüllich (FC Bayern / nun 1.FC Saarbrücken), Patrick Bauder (RW Oberhausen) und nun aus der U19 Dennis Broll, Aytunc Önerler, Steffen Kochendörfer – die im Regionalliga-Kader stehen. Ioannis Mystakidis wurde vom SC Freiburg abgeworben und aktuell gerade Baris Atik von der TSG Hoffenheim. Da werden einige noch ihren Weg weiter gehen.

Foto: Die Waldhof-Jugend hatte in den letzten Jahren sehr viel Grund zum jubeln. Mehrere Aufstiege in die höchsten deutschen Spielklassen brachten große Anerkennung mit sich

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Sportkurier: Wie bewerten Sie auf der einen Seite die sehr gute Ausbildung, die Spieler hier beim SV Waldhof erfahren und auf der anderen Seite die Kehrseite der Medaille. Spieler die dann gut ausgebildet, schon früh die Kurve kratzen beim SV Waldhof. Beispiele gibt es ja genügend und fortwährend?

Michael Schüssler: So etwas ist sehr bedauerlich, dass man sehr talentierte Spieler nicht schon frühzeitig an den Verein bindet bzw. binden kann. Dies wäre sicherlich eine Maßnahme, die sich auszahlen würde. Wir müssen nur an Nico Jüllich denken. Hätten damals Kocak und ich bei Präsident Dr. Mario Nöll nicht auf einen Vertrag gedrängt, dann wäre Nico mit Sicherheit ganz schnell weg gewesen. So aber hat der Verein später noch 100.000 Euro Ablöse bekommen. Bei Calhanoglu das gleiche – er konnte ablösefrei zum Karlsruher SC – nur zweieinhalb Jahre später streiten sich die Clubs bei einer Ablösesumme um die 3,0 Millionen Euro.

Sportkurier: Wäre aber auch mit höheren Kosten verbunden, die sich der Verein derzeit wohl nicht leisten kann.

Michael Schüssler: Kosten die sich aber auf alle Fälle auszahlen würden. Man darf ja nicht vergessen, dass der SV Waldhof für seine Jugendarbeit so gut wie nichts bezahlen muss. Das gesamte Spektrum Jugend wird von „Anpfiff ins Leben“ bezahlt. Selbst die Trainerkosten werden von Anpfiff übernommen. Von der zur Verfügung gestellten Infrastruktur nicht zu reden. Ohne dieses Engagement würde die Waldhof-Jugend auf keinen Fall diese Erfolge erzielen können. Da sollte irgendwann schon ein Budget vorhanden sein, um eben Talente zwischen 15 und 18 Jahren vertraglich zu binden.

U 19: Mit großen Clubs, wie dem VfB Stuttgart, FC Bayern, SC Freiburg, usw. spielte man sehr oft auf Augenhöhe. Dennoch stand am Ende ein unglücklicher Abstieg.

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Sportkurier: Herr Groß, wo würden Sie noch Verbesserungspotenzial sehen?

Stefan Groß: Der Informationsaustausch zwischen Aktiven (Präsidium / Vorstände, sportlicher Leitung) zur Jugendkoordinativen Zuständigkeit könnte schon besser sein und vor allem sollten zukünftig Treffen in wesentlich engeren Abständen erfolgen. Dies soll aber keine Kritik an der Vereinsführung sein – Sie hatten mich nach Verbesserungspotenzial gefragt und ich sehe hier klaren Handlungsbedarf. Bei der frühzeitigen vertraglichen Bindung von hochtalentierten Spielern bin ich der gleichen Auffassung wie Michael Schüssler. Ansonsten haben wir das Problem, dass zukünftig weiterhin sehr gute Fußballer schon vor der U 19 den Verein verlassen – und das kostenlos.

Sportkurier: Welcher sportliche Erfolg hatte so im Rückblick für Sie persönlich die bleibendste Erinnerung?

Stefan Groß: Jeder Aufstieg einer Jugendmannschaft hat uns stolz gemacht. Ich möchte da keine spezielle Wertung vornehmen. Sicher war es so, dass die Bundesligaaufstiege immer den höchsten Stellenwert hatten. Wir haben auch Abstiege erleben müssen, gerade jüngst mit der U 19. Und auch so etwas muss erst verdaut werden, denn es war ein Abstieg, den diese Mannschaft nicht verdient hatte.

Foto: Ein über knapp 6 Jahre erfolgreich arbeitendes Gespann: Michael Schüssler und Stefan Groß. Für beide endet die Tätigkeit in der Jugendabteilung am 30.06.2012 0aho42

Sportkurier: Wie sehen Sie das Herr Schüssler?

Michael Schüssler: Aus meiner Sicht war es der Aufstieg der U 19 mit dem damaligen Trainer Victor Olscha. Mit diesem Aufstieg wurde eine Trendwende eingeleitet in der Jugendarbeit beim SV Waldhof. Auch wenn wir das Folgejahr wieder absteigen mussten: das Konzept mit Anpfiff ins Leben trug erste Früchte. Im Aktivenbereich mussten die Fans sehr leiden, und dieser Erfolg in der Jugend zeigte uns: „Wir sind noch da“.      

Sportkurier: Was bleibt als Fazit nach knapp sechs Jahren Jugendarbeit in verantwortlicher Position beim SV Waldhof?

Stefan Groß: Wir haben sehr, sehr viel erreicht. In allen Bereichen haben wir uns weiterentwickelt und der SV Waldhof hat in der Jugendarbeit wieder „deutschlandweit“ einen hervorragenden Namen.

Sportkurier: Wie geht es mit Ihnen beiden weiter?

Stefan Groß: Ich mache eine Pause, muss meinen Akku wieder aufladen. Angebote waren da, ich habe aber alle abgelehnt zum gegenwärtigen Zeitpunkt. An der Stelle möchte ich mich noch bei meinem Weggefährten Michael Schüssler bedanken. Es ist gar nicht oft genug zu erwähnen, was Schüssler für diesen Verein geleistet hat. Sein Fachwissen, Fleiß, Engagement, Zuverlässigkeit – das war schon enorm. Er ist und war immer eine große Vertrauensperson zu mir und   ich werde diese hervorragende Zusammenarbeit über Jahre hinweg, sicherlich auch vermissen.

Foto: Die U 17 des SV Waldhof Mannheim. Unter Trainer Bernd Großmann und Karlheinz Lohnert stieg das Team in die Bundesliga-Süd auf und wurde dieser Tage Badischer Pokalsieger.

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Michael Schüssler: Ich bin ja beim SV Waldhof nicht ganz weg. Als 2. Vorsitzender des Förderkreises Jugend werde ich weiterhin, mit unseren Mitgliedern (ca. 100) versuchen Projekte der Jugend zu stützen. Ich erinnere mich noch an unser erstes Projekt: den Kunstrasen. Damals war Jürgen Pohl noch
1. Vorsitzender und Mitinitiator. Wenn man so zurückblickt, ja, wir haben da schon einiges auf den Weg gebracht.  Für die lobenden Worte von Stefan danke ich. Natürlich sehe ich das bei ihm nicht anders. Er ist eine Trainer-Ikone, die einmalig ist. Und die Zusammenarbeit mit ihm war einfach überragend. Den Nachfolgern von uns, dem gesamten Trainerstab, den Trainern die den Verein verlassen und allen Helfern der Jugendabteilung möchten wir beide danken und alles erdenklich Gute für die Zukunft wünschen. Vor allem auch weiterhin den sportlichen Erfolg, den sich alle Waldhöfer wünschen.

Sportkurier: Wir bedanken uns für das ausführliche Interview und wünschen Ihnen beiden für die Zukunft alles Gute.

Groß/Schüssler: Vielen Dank

Fotos Copyright Marco Bschirrer   www.kurpfalzonkel.de

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