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Martin Willig vom Fanprojekt Mannheim +++ Die Sozialarbeiter betreuen auch Waldhof-Fans

Waldhof Mannheim | erstellt am Fr. 25.11.2016

Oder kostet es uns nur unsere Steuergelder? Das fragen sich vielleicht manche, wenn sie die Bilder in Fußballstadien mit jeder Menge verbotener Pyrotechnik und Feuerwerk sehen.
Man muss es nur mit Leben füllen. Es braucht dazu engagierte Sozialarbeiter. So einen wie Martin Willig etwa.

Der gebürtige Freiburger feierte gerade den zehnten Geburtstag dieser Einrichtung. Sein Mitstreiter Thomas Balbach und er sind seit acht Jahren mit an Bord und betreuen Waldhof-Fans. Das Fanprojekt in Mannheim ist eines von mittlerweile sechs Stück in Baden-Württemberg.

Finanziert wird ein Fanprojekt zur Hälfte vom DFB, die andere Hälfte teilen sich Stadt und das Land BW. Die Trägerschaft hat der Sportkreis Mannheim, er ist zuständig im sozialpädagogischen Bereich. Für das Fanprojekt in Mannheim wurde neben Willig und Balbach auch noch eine dritte Stelle finanziert, die sich zwei Mitarbeiter teilen, darunter mit Maren Schiffer auch eine Frau. „Das Fußballinteresse weiblicher Fans hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Von einst zehn Prozent sind es heute von 20 bis 30 Prozent weibliche Anhänger“, ist Willig daher froh, dass auch das „schwache Geschlecht“ in seinem Betreuerteam vertreten ist.

Martin Willig bringt sich mit viel Leidenschaft und Enthusiasmus ein. Foto: SVW

 

Zu seinem Job kam Willig auf Umwegen. Zunächst absolvierte er eine Gärtnerlehre, die er abschloss. Dann ließ er sich umschulen zum Jugend- und Heimerzieher. Irgendwann landete er fest in Mannheim und ist seit dem Jahr 2008 „Streetworker“ hier in dieser Stadt. Es erweckt sich der Eindruck:  Entweder ist ihm das Fanprojekt auf den Leib geschneidert oder er hat sich mit viel Leidenschaft und Enthusiasmus eingebracht. Langweilig wird ihm in seinem Job jedenfalls nicht. Was bietet das Fanprojekt eigentlich?

„Wir beraten und unterstützen bei familiären Problemen der Jugendlichen, bei Schulproblemen oder auch bei Drogenproblemen bzw. Ärger mit Polizei und Justiz“, erklärt Willig dazu. In der Praxis sieht das dann so aus, dass man einen Fananwalt vermittelt, wenn ein Jugendlicher ein Problem mit der Justiz bekommt. „Der Jugendliche muss dann natürlich selbst entscheiden, ob er die Hilfe des vermittelten Anwalts in Anspruch nimmt. Klar ist, dass ein Fan für begangene Taten geradestehen muss.

Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ein Fan zu Unrecht verdächtigt wurde. Da hatte mal einer eine Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot bekommen. Nachher stellte sich heraus, dass er verwechselt wurde“, erzählt Willig aus der Praxis.

Das Fanprojekt wird aber auch selbst aktiv und bietet an Schulen Workshops zum Thema „Gewalt und Rassismus beim Fußball“ an. „Die Schulen nehmen im Rahmen einer Projektwoche solche Angebote gerne an. Eine Stadionführung ist darin fast immer enthalten“, freut sich Willig über die gute Resonanz. Im Mittelpunkt der Arbeit steht natürlich die aktive Spielbegleitung. Der Kleinbus ist bei Auswärtsspielen stets ausgebucht. Ein absolutes Alkohol- und Nikotinverbot nehmen die Jugendlichen dafür gerne in Kauf. Zweimal im Jahr gibt es auch Fahrten mit Übernachtung und einmal im Jahr ein mehrtägiges Sommercamp. In diesem Jahr war man in Bayern. Auch über die Zusammenarbeit mit dem SV Waldhof weiß Willig nur Gutes zu berichten.

Foto: Feierliche Enthüllung der Gedenktafel an der Gründungsstätte des SV 07 Waldhof Mannheim. von Links: Martin Willig, Walter Spagerer, Matthias Kneller. AS Sportfotos.

 

„Die Kooperation mit dem Verein ist sehr gut. Wenn wir mal unsere eigene Torwand für Veranstaltungen verleihen, ist meist auch der ein oder andere Waldhof-Spieler vor Ort und stellt sich den Fragen der Fans oder gibt Autogramme“, erzählt er. Zweimal im Jahr tagt auch der Beirat des Fanprojektes mit Beteiligung des Vereins. „Wir müssen schließlich Rechenschaft über unsere Arbeit ablegen oder die aktuelle Problematik diskutieren“, weiß er, dass seine Arbeit „streng überwacht wird“.

In der Fanszene sei es in den letzten Jahren etwas ruhiger geworden, hat er beobachtet. „Ich weiß nicht, ob es nur an der Ligazugehörigkeit liegt. Aber verbotene Böller oder Pyrotechnik gibt es derzeit kaum im Stadion. Nur gegen Lotte ist das aus meiner Sicht alles etwas unglücklich gelaufen“, erinnert er sich  zurück. Damals bekam der SVW als Strafe durch den Verband den Teilauschluss von Zuschauern im Heimspiel gegen Hoffenheim 2 aufgebrummt.  

Eigeninitiative bewies Willig mit der eigens gegründeten Fußballmannschaft „Martins Söldnertruppe“, mit der er im Einsatz ist. Das Fanhallenturnier haben seine Jungs, darunter auch ein Deutsch-Chinese und ein Kroate, aber allesamt Waldhof-Fans, jetzt zweimal hintereinander gewonnen. Im Freien stehen auch Spiele gegen Flüchtlinge öfters auf dem Programm. Auch gehörte „Martins Söldnertruppe“ zu den Mitinitiatoren der Aktion für den an Krebs erkrankten ehemaligen Waldhof-Betreuer Steffen Pardas, als die Fans mit dem Fahrrad nach Worms anreisten und dafür spendeten.

Das Fanprojekt ist auch dank Willig eine Erfolgsgeschichte.

 

Artikel auch erschienen in der Printausgabe des sport-kurier vom 11. November 16.

 

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