
Holstein Kiel vs TSG Hoffenheim / 18.01.2025, Holstein-Stadion. Im Bild Andrej Kramaric (Hoffenheim #27/gelb), er erzielt das Tor zum 0:2 und ging nach seinem großen Rundumschlag nach dem Bayern-Spiel in Kiel voran. IMAGO / Nordphoto
Es brodelt bei der TSG 1899 Hoffenheim
3. Liga | erstellt am Mo. 20.01.2025
sport-kurier. Durch ein 0:5 beim Rekordmeister Bayern München rutschte die TSG zum Abschluss der Hinrunde der Fußball Bundesliga auf den Abstiegs-Relegationsplatz ab – und Stürmer Andrej Kramaric wütete aufsehenerregend im anschließenden TV-Interview. Als Schuss vor den Bug wirkte es und motivierte die TSG zum 3:1 Sieg gegen Kiel – doch braucht es sicher mehr als diesen einen Erfolg, um die Mannschaft wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu lenken.
Dass dieser Wutausbruch keine Konsequenzen hatte, spricht dafür, dass der langjährige Hoffenheimer Stürmer mit seinen Worten und Andeutungen die Finger zutreffend in die Wunde gelegt hatte. „Ich möchte nicht einmal über das Spiel sprechen, denn für mich war klar, dass es passieren wird. Das ist das Bild der ganzen Saison. Es ist eine große Scheißsaison. Ich will ehrlich sein. Und ich halte mich noch zurück, denn wenn ich die Wahrheit sagen würde und einige Dinge, die mir über den Verein und die momentane Situation durch den Kopf gehen, würde ich wahrscheinlich die größte Strafe in der Geschichte der Bundesliga bekommen“, verlautbarte er nach der Niederlage in München am Mikrofon des amerikanischen Sportsenders ESPN. „Im Moment ist die Gefahr da, dass wir absteigen, obwohl wir einen Kader mit guten Spielern haben, aber offensichtlich nichts funktioniert.“
Konkret wurde Kramaric nicht, doch wird allgemein angenommen, dass es sich um die zahlreichen Personalveränderungen in der Vorstandsetage und den wesentlich überdimensionierten Kader handelt. Seit dem Abgang von Sportgeschäftsführer Alexander Rosen im Juli fehlt der TSG eine konstante Linie in der Führungsetage. Trainer Pellegrino Matarazzo wurde in der Hinrunde schon durch das öffentliche Werben um Nationalmannschafts Co-Trainer Sandro Wagner demontiert, ehe man ihn Mitte November durch den Österreicher Christian Ilzer ersetzte.
Doch die erhoffte Wandlung durch diese Veränderung blieb aus, sogar noch weniger Punkte holte der neue Trainer im Schnitt, was wohl zu Kramaric Frust-Interview beitrug. Dass zum Rückrundenstart ein 3:1 Sieg gegen Aufsteiger Holstein Kiel folgte (und Kramaric dabei traf und bester Mann auf dem Platz war) ist sicher ein Hoffnungsschimmer – was dieser Sieg Wert ist, bleibt abzuwarten. Richtungsweisend werden die Spiele bis Ende März sein, in denen Hoffenheim gegen alle Konkurrenten im Abstiegskampf antreten muss. Zu vernachlässigen sind dabei die Europa League Partien im Januar gegen Tottenham und Anderlecht, die Ilzer dazu verwenden sollte, einigen Akteuren die Chance zu geben sich zu zeigen und anderen die Möglichkeit zur Erholung zu geben, um im Abstiegskampf der Bundesliga zu bestehen.
Ein Problem der TSG 1899 Hoffenheim ist mit Sicherheit der aufgeblähte Kader. Einen guten Nachwuchs hat der Verein, was durch den DFB-Pokalsieg und die Meisterschaft der U19 im Sommer eindrucksvoll unterstrichen wurde. Überraschend zeigt der Verein seinen jungen Talenten jedoch weitgehend die kalte Schulter. Stürmer Max Moerstedt bekam statt einer Chance neben Kramaric mit Adam Hlozek (aus Leverkusen) und Haris Tabakovic (von Hertha BSC Berlin) im Sommer bereits zwei Neuzugänge auf seiner Position vor die Nase gesetzt, nun folgte noch Winter-Neuzugang Gift Orban (9 Millionen, Olympique Lyon).
Begraben im Hoffenheimer Kader wirkt der U17 Welt- und Europameister und ohne Chance auf eine nennenswerte Weiterentwicklung. Dies gilt auch für U20-Nationalspieler Tom Bischof, der zwar im Mittelfeld Stammspieler ist, sich lieber für einen ablösefreien Wechsel im Sommer auf die Bank des FC Bayern München entschied. Dies spricht dafür, dass er in Hoffenheim für sich nur wenig Perspektive und Entwicklungspotential sieht. Hinter Bischof stellt sich Florian Micheler an, der ebenfalls im vergangenen Jahr mit der Hoffenheimer U19 das Double gewann, aber bisher nur 73 Spielminuten in der Bundesliga vorweisen kann. Doublegewinner Lars Strobl wurde sogar in dieser Spielzeit noch gar nicht eingesetzt, denn im Sommer holte die TSG ja Valentin Gendry (8.5 Mio vom US Lecce).
Da sich die Hoffenheimer Junioren nicht wertgeschätzt fühlen und die erfahreneren Spieler einen großen Wettbewerb um nur wenige Positionen sehen, führt zur Unruhe im Kader und zur Unzufriedenheit Einzelner, die sich nicht selten mit schlechten Leistungen auf dem Platz auswirkt. Dies in den verbleibenden Tagen des Wintertransferfensters zu beheben dürfte schwierig werden, denn die sportlich prekäre Situation macht die Ersatzspieler der TSG nicht gerade begehrenswert für die Konkurrenz.
So wird mit Mergim Berisha ein Stürmer als Abgang zu Ex-Verein Augsburg gehandelt, der im Kader keine Rolle mehr spielte. 14 Millionen legte Hoffenheim einst für ihn auf den Tisch, mit Glück dürfte die TSG bei einem Transfer noch 5 Millionen für ihn erhalten. Womit wieder die Worte von Kramaric in Erinnerung kommen, denn Berishas Bilanz aus zwei Spielzeiten sind gerade einmal 17 Spiele und ein Treffer in der Bundesliga, sowie sieben weitere Partien in DFB-Pokal und Europa League ohne statistischen Erfolg.
zurück