
Bild: Hübner/Pool/Marc Schüler
Re-Start der Bundesliga mit Hindernissen ++ Top-Quote, aber nicht alles Gold was glänzt
1. Bundesliga | erstellt am Mo. 18.05.2020
…und auf den ersten Blick geben die nackten Zahlen den Verantwortlichen der Deutschen Fußball Liga (dem Zusammenschluss der Profivereine der 1. und 2. Bundesliga) recht. Bis zu 60% Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe hatten die Übertragungen der Spiele auf Pay-TV Sender Sky, aus zahlreichen Nationen erhält die Bundesliga nun aufgrund des Re-Starts viel Lob und Beachtung.
Für die DFL wäre aber auch ein Neustart mit großer nationaler und internationaler Kritik ein Erfolg, denn immerhin stehen für den Verband rund eine Milliarde an TV-Geldern auf dem Spiel, die letzte Rate der übertragenden Sender für die aktuelle Saison. Diese Zahlung sichert nun das Überleben der 36 Profivereine, was den Verband gleich wieder auf das hohe Ross hebt.
War es fast ein Betteln der DFL bei der Politik aufgrund der Schaffung einer Möglichkeit des eigenen Überlebens, ist eben jenes Überleben der mit dem Profifußball verbundenen Berufstätigen den Fußball-Funktionären nun reichlich egal. Ob dies nun die aufgrund der Geisterspiele geschlossenen Gastronomieeinrichtungen (und deren Mitarbeiter) sind, oder die zahlreichen freien Journalisten, die in Wort und Bild von den Spielen berichten und ebenfalls eine Familie zu ernähren haben, scheint für die DFL keine Rolle mehr zu spielen.
Drei Fotografen und zehn schreibende Journalisten dürfen laut DFL bei den „Geisterspielen“ anwesend sein, damit insgesamt gesehen nicht einmal zehn Prozent der sonst bei den Spielen anwesenden Berichterstatter, von denen normalerweise die wenigsten in Festanstellung bei den Verlagen stehen.
Unbeweglich wirkt der Verband dabei auf die Proteste der Journalistenverbände einzugehen, selbst wenn die mit der Politik vereinbarten (Mindest-)Maßgaben bereits durch die Verbesserung der aktuellen Lage überholt sind. Die Intention ist dabei klar: den Spielbetrieb so lange wie möglich aufrecht zu erhalten und bestenfalls die Saison zu beenden.
Nicht viel zu sagen hatten dabei die Spieler: Kein Gehör fanden selbst die öffentlichen Hinweise einiger Akteure durch die Spiele die eigene Gesundheit und im Fall einer durch COVID-19 erfolgten Schädigung der Lunge die gesamte Karriere und damit den eigenen Lebensunterhalt zu riskieren.
Bild: Hübner/Pool/Marc Schüler
Sehr kontrovers wurde dabei dieser Neustart schon im Vorfeld betrachtet, für Aufsehen sorgte dabei die DFL-Anweisung an die Vereine Corona-Meldungen nur noch über den Ligaverband zu publizieren. Und auch manche Vereine zeigten bereits, dass sie wohl über den Dingen zu stehen scheinen.
Waren die positiv auf Corona getesteten Spieler des 1. FC Köln, Borussia Mönchengladbach und Erzgebirge Aue noch als aufgegriffene Einzelfälle zu Beginn der eingeführten Corona-Testphase gesehen worden (seitdem: kein positiver Test in der Bundesliga mehr), spricht nun die Quarantäne für das gesamte Team von Dynamo Dresden genauso eine andere Sprache wie die Vorkommnisse um das Live-Video von Salomon Kalou aus der Kabine von Hertha BSC Berlin.
Vor allem die Berliner scheinen aus diesem Skandal nichts gelernt zu haben, wie nicht zuletzt der eigentlich durch das DFL-Hygienekonzept untersagte Teamjubel bei den Treffern beim Berliner 3:0 Sieg bei der TSG 1899 zeigte. Auch in anderen Stadien wie Frankfurt oder Köln kam es mitunter zu den eigentlich unerwünschten Rudelbildungen und Torjubeln, die eben die emotionale Komponente der Mannschaftssportart abbilden und sich nicht so einfach verbieten lassen.
Ebenso zeugt das Verlassen des Quarantäne-Teamhotels zum Kauf von Zahnpasta im Fall von Augsburg Coach Heiko Herrlich nicht von einem breiten Verständnis der noch immer notwendigen und vom Verband vorgegebenen Maßnahmen.
Natürlich darf man aber auch nicht den positiven Aspekt des Re-Starts vergessen. Denn auch wenn das Konzept mit Geisterspielen („Stimmung wie bei den Alten Herren nach 19 Uhr“, so Ex-Nationalspieler Thomas Müller dazu) bei den Fans aufgrund des Zuschauerausschlusses nicht sonderlich beliebt ist, sorgt der Re-Start dennoch für Hoffnung bei weiten Teilen der Bevölkerung.
Einen Beginn der Rückkehr zur ersehnten Normalität sehen Viele darin, ebenso eine willkommene Ablenkung vom mitunter sehr eintönigen Alltag mit vielen Einschränkungen. Nach dem erfolgreichen ersten Spieltag denken erste Politiker sogar darüber nach wieder Fans zuzulassen, wenn auch sicher nicht die volle Stadionkapazität, sondern eher eine geringe Anzahl gemäß den Abstands- und Hygienevorschriften.
Bild: Hübner/Pool/Marc Schüler
Sportlich muss man den Wert der ersten Spiele jedoch noch hinterfragt werden. Schon vor den ersten Spielen mahnten Experten, dass es mindestens zwei bis drei Wochen mit intensivem Training dauern würde, ehe die Mannschaften wieder ihre technische und taktische Spielstärke erreichen würden, die sie vor dem Beginn der Krise hatten.
Erst anderthalb Wochen Training hatten die Mannschaften jedoch vor dem ersten Spiel, weshalb auch die Vorhersage, dass die ersten Spiele wie der „Saisonstart“ wirken würden, nicht von der Hand zu weisen ist. Mancher mag von Wettbewerbsverzerrung reden, da die eigene Mannschaft durch die Zwangspause aus dem Rhythmus gerissen wurde und die Bedingungen des Trainings der Profis nach den Vorgaben des jeweiligen Bundeslands unterschiedlich waren.
Letztendlich sind jedoch alle Mannschaften mit der gleichen Situation konfrontiert, auch wenn sicherlich die Abschlusstabelle anders ausgesehen hätte ohne Corona-Zwangspause. Dass es keine besonderen Auf- und Abstiegsregelungen in den obersten Spielklassen gibt, ist daher sogar vertretbar.
Mit Weitsicht wurde diese Entscheidung getroffen, denn eine Ausweitung Spielklassen zur Saison 2020/21 (zB. ohne Absteiger auf je 20 Mannschaften und somit 38 Spieltage), deren rechtzeitiger Beginn aufgrund der Pandemie ebenso noch unsicher ist, würde die Mannschaften in einen großen terminlichen Zugzwang setzen, den niemand riskieren will. Zumal es mehr als zweifelhaft ist, dass die Saison 2020/21 nach der Zwangspause wirklich gemäß dem Rahmenterminkalender Ende Juli/Anfang August starten wird.
Daher wird die Saison sicher mit einem Endergebnis beendet (schlimmstenfalls eine gewichtete Tabelle zum Abbruchszeitpunkt), jedoch für manchen Verein wie beispielsweise Eintracht Frankfurt, den Karlsruher SC, dem FC Schalke oder Borussia Dortmund ist die fehlende Atmosphäre im Stadion ein weiterer Nachteil, da diese normalerweise den nicht zu unterschätzenden Heimvorteil gerade dieser Mannschaften ausmacht.
{loadmoduleid 374}
zurück