SV Waldhof-Coach Kenan Kocak. Bild: AS Sportfotos

SV Waldhof-Coach Kenan Kocak. Bild: AS Sportfotos

Das große Interview +++ Waldhof-Coach Kenan Kocak im Gespräch mit dem Sportkurier

Regionalliga | erstellt am Di. 17.11.2015

Die meisten Punkte, stärkste Defensive, bestes Torverhältnis. Damit konnte man im Umfeld der Blauschwarzen, angesichts der finanzkräftigen Konkurrenz aus Saarbrücken, Offenbach, Elversberg, Kassel und Trier nicht rechnen. Grund genug, sich mit SVW-Coach Kenan Kocak über den bisherigen Saisonverlauf zu unterhalten. Dabei haben wir auch etwas in die jüngere Vergangenheit zurückgeblickt.

Sportkurier: Herr Kocak, die obligatorische Frage. Noch drei Hinrundenspiele, dann geht’s in die Winterpause. Wie sieht ihr Zwischenfazit aus?

KOCAK: Wir konnten eine solch starke Hinrunde nicht erwarten. Da stecken sehr harte Arbeit und viele Einsatzstunden dahinter. Es freut mich vor allem die Art und Weise, wie wir Fußball gespielt haben. Unsere Spiele haben wir letztendlich auch alle verdient gewonnen. Wir genießen die aktuelle Situation, wissen aber darum, dass es die kommenden Spiele nicht einfacher wird.  

Sportkurier: Was hat sich gegenüber den vorherigen Spielzeiten geändert?

KOCAK: Da muss man etwas weiter ausholen. Zu Beginn meines Engagements (2013/2014) war der Kader größtenteils schon zusammengestellt. Es erwies sich sehr vieles im Club als konzeptlos. Ich konnte zunächst nur bedingt einwirken, was die personelle Situation betraf. Auch fehlten die finanziellen Mittel, um den Kader entsprechend aufzustellen. Unter dem Strich haben wir meines Erachtens über die Saison hinweg das Optimale herausgeholt. Am Ende waren wir Fünfter der Tabelle. Ich wusste aber, dass wir zur Saison 2014/2015 einen personellen Schnitt machen mussten.

Sportkurier: Der sah weitere Einsparungen vor?

KOCAK: Ja, das ist allen bekannt. Bis Ende April 2014 hatten wir einen zugesicherten Etat, der sich nahe dem Oberliga-Mittelmaß bewegt hatte. Dank der Mannheimer Runde hatten wir zu Beginn der Saison dann einen Etat von ca. 650.000 Euro zur Verfügung. Es war mein Ziel, junge und talentierte Spieler an den Verein zu binden, die auch finanzierbar waren. Viele der Neuzugänge die kamen, hatten bei ihren letzten Engagements in ihren Vereinen keine große Rolle mehr gespielt. Aber ich wusste um die Qualität dieser Neuzugänge. Wenn man sieht, wie sich z.B. Spieler wie Förster, Seegert, Müller, Mühlbauer, Di Gregorio u.a. entwickelt haben, dann lagen wir doch nicht ganz so verkehrt in unserer Personalpolitik.

Kenan Kocak impulsiv an der Seitenlinie. AS Sportfotos.

Sportkurier: Zur Spielzeit 2015/2016 wurde an den richtigen Stellschrauben gedreht?!

KOCAK: Ja, auf jeden Fall. Das war schon bei der Auswahl der Neuzugänge so. In der Vergangenheit fehlte auch aufgrund eines zu kleinen Zeitfensters oft die Möglichkeit, bei einem Spieler auch hinter die Fassade zu schauen und nicht nur nach der sportlichen Leistungsfähigkeit zu urteilen. Diesmal habe ich alles daran gesetzt, die Spieler vor der Verpflichtung auch besser kennenzulernen. Auch um zu sehen, wie der eine und andere „tickt“. Bislang lag ich da in meinen Einschätzungen richtig, das freut mich selbst natürlich auch sehr.

Sportkurier: Mit Hanno Balitsch und Michael Fink haben Sie zwei sehr erfahrene Akteure geholt. Beide haben sich als absolute Führungsspieler gezeigt.

KOCAK: Ja, das haben Sie beide. Michael ist ja auch mein Co-Trainer und somit in den gesamten Prozess in und außerhalb des Teams eingebunden. Von seiner Erfahrung und seinem Können profitieren alle. Hanno ist „Kopf der Mannschaft“ – ein Spieler, der den Fußball lebt. Beide haben viele Jahre auf höchstem Niveau gespielt, diese Erfahrung hilft uns natürlich. Als Trainer bin ich beiden dankbar, mir gezeigt zu haben, was Führungsspieler wirklich bedeuten und wer ein solcher auch ist. Die Erfahrung von mir war vorher auch schon die, dass sich viele als Führungsspieler sahen, aber nie wirklich welche waren.

Sportkurier: Balitsch hätte sicher noch höherklassig spielen können. Warum der SVW?

KOCAK: Hanno ist 34 Jahre alt. Er ist Fußballer durch und durch – braucht sich da nichts mehr beweisen. Er ist wie Fink ein Spieler, der Woche für Woche den Grasgeruch und die Kabinenluft einatmen will. Jemand, der großen Spaß daran hat, eine Mannschaft zu führen und etwas bewegen zu wollen. Das kann er hier bei uns. Balitsch ist unabhängig, hat seinen Job beim Fernsehen, lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Bensheim. Seine Prioritäten sind andere, so dass wir in den Genuss kommen konnten, mit ihm arbeiten zu dürfen.

SV Waldhof Mannheim Spielzeit 2015/2016.

Sportkurier: Auch andere Spieler konnten sich in den Vordergrund spielen.

KOCAK: Jannik Sommer hat mit bisher 11 Saisontoren und 6 Torvorlagen die Erwartungen absolut erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen. Bei Giuseppe Burgio wusste ich um seine Qualitäten. Wir hatten zuvor schon beim VfR Mannheim zusammen gearbeitet. Auch Ali Ibrahimaj hat sich als Verstärkung erwiesen. Von daher können wir a.) mit der Entwicklung vieler Spieler und b.) mit einem Großteil der Neuzugänge hochzufrieden sein.

Sportkurier: Sie sagten immer „wir denken von Spiel zu Spiel“ – hat sich daran was geändert bzw. blicken Sie schon weiter voraus?

KOCAK: Da hat sich schon etwas geändert, denn ich denke nicht von Spiel zu Spiel, sondern von Trainingstag zu Trainingstag. Ich bin da kein Freund von langfristiger Denkweise. Denn schon Morgen kann das über den Haufen geworfen sein, was du gestern auf dem „Schirm“ hattest. Wir arbeiten also sehr konzentriert von Trainingseinheit zu Trainingseinheit und erst zwei, drei Tage vor dem Spiel beginnen wir uns über den Matchplan intensive Gedanken zu machen. Da weiß man dann auch meist, mit welchem Personal man in das Spiel gehen kann/will.

Sportkurier: Sie gehen mit ihrem Team immer mit der Ausrichtung in ein Spiel, dieses bestimmen zu wollen.

KOCAK: Unbedingt, ja, das ist unsere Ausrichtung. Ich hasse es, wenn der Gegner das Spiel bestimmt. Auch wenn wir in der Vergangenheit Spiele verloren hatten, war es sehr selten so, dass der Gegner unbedingt besser gewesen wäre. Wir verteidigen, um zu spielen. Aber wir spielen nicht, um zu verteidigen. Das ist in unserer Mannschaft auch verinnerlicht.

Sportkurier: Wohin geht die Reise für den SV Waldhof?

KOCAK: Ich kann nur für diese Saison sprechen. Aus sportlicher Sicht wollen wir natürlich bis zum Ende ganz oben mit dabei sein. Alles andere wäre jetzt gelogen. Aber wir dürfen die starke Konkurrenz nicht außer Acht lassen. Ich sehe da schon Elversberg, Trier, Saarbrücken, Offenbach, Homburg und auch Kassel mitmischen. Einige dieser Clubs werden mit Sicherheit in der Winterpause personell nachlegen. Wir müssen den Hunger beibehalten und uns muss bewusst sein, dass unsere Gegner zukünftig nochmal „eine Schippe“ drauflegen werden, weil uns jeder bezwingen will.

Die Fans des SV Waldhof sind mindestens zweitligareif. Da würde sich so mancher höherklassige Club aus der näheren Region über einen solchen Support freuen. AS Sportfotos.

Sportkurier: Wo wir bei der nächsten Frage wären. Legt auch der SV Waldhof nach und gibt es schon Spieler, von denen man sich trennen möchte?

KOCAK: Fangen wir bei der 2. Frage an. Nein, Stand heute haben wir keinen Spieler aus dem Stammkader, der den Verein verlassen soll/will. Was Neuzugänge betrifft, da hält man immer die Augen auf, das ist normal. Trotz der starken Hinrunde sehe ich schon auf der einen und anderen Position noch gewisse Schwächen, die man minimieren könnte bzw. sollte. Ich erwarte weiterhin von jedem Spieler maximale Spannung und jeder muss einen „Riesenhunger“ auf den Erfolg haben. Da kann sich niemand auf dem bislang Erreichten ausruhen.

Sportkurier: Der Zuschauerschnitt ist sehr gut. Welche Rolle spielen die Fans für Sie als Trainer und für das Team?

KOCAK: Sie sind das Herzstück dieses Vereins. Ohne diese Fans, wäre vieles nicht möglich. Die Unterstützung ist sensationell, die Stimmung besser, als bei manchen Zweit- oder Bundesligisten. Somit haben unsere Anhänger auch einen großen Anteil an dem bisherigen Erfolg. Deshalb ein großer Dank. Gemeinsam können wir vieles erreichen.

Sportkurier. Gegen den FC Astoria Walldorf schied man im heimischen CBS im Viertelfinale des Badischen Pokals mit 1:2 Toren aus. Viele meinen… „Mund abputzen“ – die Liga zählt. Wie sehen Sie das?

KOCAK: Enttäuschung pur, ist doch klar. Wir waren nach dem 1:1 dran und hätten dieses Spiel für uns entscheiden können. In der Schlussminute den entscheidenden Treffer zu kassieren, das ist bitter. Mit dem Einzug ins Halbfinale hätten sich Chancen auf eine Qualifikation für den DFB-Pokal deutlich erhöht. Da braucht man Tage, bis man das verarbeitet hat. Der Blick richtet sich jetzt wieder nach vorne und in Richtung Liga.

Sportkurier: Seit Juli 2015 machen Sie die Fußballlehrer-Ausbildung an der Sporthochschule in Köln. Wie sieht da ihre Woche zwischen ihrer Tätigkeit beim Verein und ihrer Ausbildung aus?

KOCAK: Das ist schon eine enorme Belastung, aber das hat sich jetzt auch eingespielt. Sonntags nach dem Spiel fahre ich nach Köln und bin bis mittwochs 18:00 Uhr an der Sporthochschule. So fehle ich auch nur an ein, zwei Trainingseinheiten. Diese sind bis ins Detail mit dem Trainerstab abgestimmt.

Foto: Schon 33 Mal durften sich die Waldhöfer in der laufenden Spielzeit über einen Treffer freuen. AS Sportfotos.

Sportkurier: Sie haben vor ihrem Engagement beim SV Waldhof und vor der Fußballlehrer-Ausbildung schon Erfolg als Trainer gehabt. Vizemeister und Kreispokalsieger mit dem FC Türkspor Mannheim. Danach Aufstieg mit dem VfR Mannheim in die Oberliga Baden-Württemberg. Dem folgten eine Oberliga-Vizemeisterschaft und ein dritter Platz. Wie bewerten Sie die Ausbildung an der Sporthochschule in Köln? Konnte sich diese positiv auf ihre Tätigkeit beim SV Waldhof auswirken?

KOCAK: Ja, natürlich. Die Ausbildung ist sehr hilfreich. Ich bin da zunächst auch dem Deutschen Fußballbund dankbar, für diese Ausbildung aufgenommen worden zu sein. Die Dozenten und insbesondere auch Ausbilder Frank Wormuth vermitteln mir schon einiges, was ich in der alltäglichen Arbeit beim SV Waldhof habe auch einfließen lassen. Die Ausbildungsthemen sind insgesamt sehr vielfältig. Sport- Physio- und Psychologie, Sportmedizin, Ernährungs-Lehre, Regelkunde und natürlich auch die theoretische und praktische Fußballehre. Das Gesamtpaket der Ausbildung ist komplex.

Sportkurier: Was bedeutet das für ihre Familie, wenn Sie so stark eingebunden sind und auch drei Tage die Woche in Köln sind?

KOCAK: Da bin ich meiner Frau sehr dankbar. Sie meistert das hervorragend und hält mir dadurch den Rücken auch frei. Wir haben zwei kleine Kinder, da ist das nicht immer so einfach, alles unter einen Hut zu bringen.

Sportkurier: Stichwort „Mannheimer Runde“.

KOCAK: Da kann ich nur sagen, Danke. Ohne dieses Engagement des Herrn Kleiber, als Vorsitzenden der Mannheimer Runde und ohne die Unterstützung der Firmen in der Mannheimer Runde, wären wir nicht da, wo wir jetzt stehen. Sie zusammen, haben es geschafft, den SV Waldhof „am Leben“ zu halten. Herrn Kleiber erfreuen unsere Spiele in der bisherigen Runde und man sieht auch noch vieles ausbaufähig. Das lässt hoffen.

Sportkurier: Wovor warnen Sie, bei all der Euphorie?

KOCAK: Die größte Herausforderung dieser Tage liegt auch darin, Geschlossenheit zu zeigen. Das betrifft die handelnden Personen. Das man sich nicht Probleme von „außen“ hereinholt und sich auch nicht hineinreden lässt. Wenn das gelingt, dann sind wir auf einem guten Wege.

Sportkurier: Vielen Dank für das Gespräch.

KOCAK: Keine Ursache, gerne geschehen.

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