Der SV Sandhausen hat ein kleines Fußball-Wunder geschafft!
Der SV Sandhausen hat ein kleines Fußball-Wunder geschafft!
Archiv 3. Bundesliga (Fußball) | erstellt am Di 01.05.2012
Trainer Gerd Dais Vater des Erfolges / Von Beginn an lief es prima
Es lief von Beginn an. Echte Schwächephasen, Momente, in denen man einen Einbruch hätte befürchten können, gab es nicht. Den Hauptverdienst am Höhenflug trägt ohne Zweifel Gerd Dais. Der Ex-Profi, der einst auch für den SV Waldhof Mannheim in der 1. Bundesliga stürmte, fand die richtigen Worte, bestach durch eine taktische Meisterleistung.
Los legte der SVS mit einem wichtigen Dreier. Ende Juli 2011 wurde der VfR Aalen im heimischen Hardtwaldstadion mit 2:0 in Schach gehalten. Richtig, genau die Mannschaft, die wohl mit Sandhausen in die Zweite Liga aufsteigen wird. Weiter ging es mit Tiefen (0:2 in Offenbach)und Höhen (2:0 gegen Darmstadt).Es folgten zwei Unentschieden in Unterhaching (2:2) und gegen Bielefeld (0:0).
Am sechsten Spieltag war dann der erste Auswärtssieg fällig: Beim starken Chemnitzer FC, der sich ebenfalls berechtigte Hoffnungen aufs Unterhaus macht, entführten die Hardtwälder durch ein 3:1 alle drei Zähler.
Gegen Oberhausen der erste richtige Rückschlag der Saison
Vor allem der dritte SVS-Treffer wird jedem der rund 4.000 Zuschauer in Erinnerung bleiben, die damals in Chemnitz auf der Tribüne Platz genommen hatten: Öztürk verlängerte einen Eckball mit dem Kopf, den Löning per Volleyabnahme knallhart ins Tor hämmerte. Ein Kunstschuss der Extraklasse. Es folgte ein mageres 0:0 gegen Wehen Wiesbaden am heimischen Hardtwald und ein 1:4 in Oberhausen. Die Pleite in Oberhausen war der erste richtige Rückschlag, einer bis dato guten Saison. Doch wer weiß, vielleicht war es genau diese Klatsche, die man in Sandhausen gebraucht hat, um aufzuwachen. Denn nun kam er erst richtig ins Rollen, der Hardtwald-Express.
Vom 9. bis zum 19. Spieltag ungeschlagen
Festhalten: Sandhausen blieb vom 9. bis zum 19. Spieltag ungeschlagen, zehn Spiele, in denen sich Löning und Co. endgültig zum echten Aufstiegsanwärter mauserten. 24 – von 30 möglichen – Punkten krallte sich der SVS in dieser Phase: Regensburg (2:1/H), Erfurt (2:1/H), Babelsberg (2:1/A), Wacker-Burghausen (3:1/H), Werder Bremen II (2:0/A), der VfB Stuttgart II (1:0/A) und Münster (2:0/H) gingen völlig leer aus, Jena (1:1/A), Saarbrücken (1:1/H) und Osnabrück (0:0/H) erkämpften sich jeweils einen Punkt. Ein dickes Polster, das man sich da angefuttert hatte.
Zum Rückserienauftakt eine 4:1 Niederlage in Darmstadt
Gerissen ist die Serie erst wieder am 3. Dezember: In Heidenheim musste sich der SVS mit 1:2 geschlagen geben. Ein 1:1 daheim gegen Offenbach folgte. Gut, das nun Pause war. Im Winter konnte man sich neu sammeln, hatte unterbewusst aber irgendwie auch ein ungutes Gefühl. Keiner wusste, wie es weiter geht. Jeder hoffte auf eine starke Rückrunde, auf eine Fortsetzung des Höhenflugs. Und zum Auftakt im neuen Jahr setzte es prompt einen Dämpfer. Am 21. Januar kam die Dais-Truppe am Böllenfalltor in Darmstadt mit 1:4 unter die Räder. Saft- und kraftlos wirkte man dort, präsentierte sich wenig meisterlich.
In der Folge „Ein AUF und AB“
In der Folge ging es auf und ab. Guten folgten schlechte Spiele: Unterhaching wurde daheim mit 3:1 in
Schach gehalten, Aalen war daheim beim 2:0 besser, Sandhausen dafür wieder beim 3:1 in Bielefeld, genau wie beim 4:0-Galaauftritt bei Wehen Wiesbaden. Spätestens jetzt, das war am 18. Februar, war jedem Experten klar: Dieser SV Sandhausen kann sich auf dem Weg in die Zweite Liga wohl nur selbst ein Bein stellen.
Und das stellten sie sich zunächst nicht. Beim 2:1-Heimsieg gegen Oberhausen glänzte man zwar nicht, gewann aber, machte nur das, was nötig war. Spitzenteam nennt man so etwas. Umso unverständlicher war, was nach dem 1:1 bei Jahn Regensburg passierte: Sandhausen ging in einem Nachholspiel vor den eigenen Fans mit 0:3 gegen Chemnitz unter. Ein Tiefschlag, der alle durchschüttelte, aber nicht entmutigte. Auch, weil der SVS drei Tage später schon wieder in der Erfolgsspur war: 1:0 gegen Jena – durchatmen.
Nun ging’s nach Erfurt. Und das war keine Reise wert. Sandhausen erwischte im Wilden Osten einen gebrauchten Tag: 0:3 zur Pause, 2:4 nach 90 Minuten. Die Wut muss groß gewesen sein und Babelsberg war der Leidtragende: In Sandhausen setzte es für die Gäste ein 0:4. In Burghausen reichte es eine Woche später zu einem 0:0. Ein Punkt, der wenig später durch das 2:0 gegen die Bremer Reserve vergoldet wurde. In Saarbrücken hatte es sich dann ausgefeiert: 1:2 – ärgerlich.
Drei Aufstiegs-Matchbälle geholt
Jedoch kein Problem, schließlich holte man sich durch den 1:0-Arbeitssieg gegen den VfB Stuttgart II am 14. April drei Aufstiegs-Matchbälle. Drei Spieltage vor Schluss hatte der SV Sandhausen als Tabellen-Erster bereits acht Punkte Vorsprung auf den dritten Rang, den Relegationsplatz. Oder anders erklärt: Vieles deutete bereits auf eine vorgezogene Aufstiegsfeier in Münster hin. Und so kam es dann auch. Nach 90 Minuten hieß es 2:1. Aufstieg!!!
Als alles vorbei war, lagen sie sich in den Armen, die Spieler des SV Sandhausen. Überglücklich und voller Vorfreude auf das nächste Jahr, das Abenteuer Zweite Liga, in der der ehemalige deutsche Amateurmeister noch nie auf Punktejagd gegangen ist. Bekleidet waren sie plötzlich übrigens alle mit den gleichen T-Shirts:
In Münster gelingt beim 2:1 Sieg der vorzeitige Zweitligaaufstieg
„SV Sandhausen – ein Traum wird wahr“, war auf ihnen zu lesen. Bereits fünf Minuten vor dem Schlusspfiff wurden die Hemden rausgekramt. Wenig später war es dann tatsächlich geschafft: Mit einem 2:1-Sieg in Münster setzte der SV Sandhausen das I-Tüpfelchen auf eine bärenstarke Saison, die so im vergangenen Sommer kaum jemand für möglich gehalten hätte.
Und auch beim Aufstieg des SVS war eigentlich alles so, wie man es eben kennt, wenn Fußballer feiern. Vor allem der Trainer bekommt es dann ab. Gerd Dais, der Vater des Erfolgs, war plötzlich klatschnass. Sein Personal hatte ihn gestellt, beschossen mit Fontänen aus Sekt und Champagner. Dais musste sich umziehen, klebte am ganzen Körper. Kaum zurück, war er dann ein wenig sprachlos: „Das Ganze, was nun passiert ist, muss ich erst einmal sacken lassen“, pustete er tief durch und legte schmunzelnd nach: „Für uns ist das eine wunderbare Geschichte, ein Quantensprung für den ganzen Verein und die Gemeinde.“
Es war der vierte Aufstieg von Gerd Dais, dieser hat jedoch eine andere Dimension
Für Dais ist es der vierte Aufstieg, irgendwie hat er sich in Münster aber wie nach seinem ersten gefühlt. Dais, der Ehrliche: „Dieses Mal hat das
eine ganz andere Dimension, da bin ich ganz ehrlich.“ Stimmt. Denn im nächsten Jahr heißen die Gegner nicht mehr Babelsberg oder Werder Bremen II, echte Kracherspiele stehen an. Gegen Kaiserslautern, gegen Dresden, gegen Duisburg, gegen Bochum und ja, möglicherweise auch gegen den Karlsruher SC, gegen den 1. FC Köln oder Hertha BSC. In ein, zwei Wochen weiß man mehr.
Attraktive Gegner in der 2. Liga und Geisterkulissen dürften der Vergangenheit angehören
Wie auch immer, am Hardtwald wird was los sein. Spiele vor Geisterkulissen scheinen der Vergangenheit anzugehören. Schon allein deshalb, weil Klubs wie der 1. FC Kaiserslautern Fans ohne Ende mitbringen werden. Doch bevor es so weit ist, müssen in Sandhausen noch die Hausaufgaben erledigt werden. Eine Rasenheizung und weitere Tribünenplätze müssen her. So will es die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Für den SV Sandhausen und seinen Präsidenten Jürgen Machmeier, den mächtigen Bauherrn, stellt dies allerdings kein Problem dar: In der Sommerpause werden die Bagger anrollen, um aus dem Hardtwaldstadion eine zweitligataugliche Heimspielstätte zu machen.
Der Artikel ist erschienen in der Sportkurier-Ausgabe vom 27. April 2012
Foto: 1,2,3,5 Rhein-Neckar Picture