Vorschau Verbandsliga Nordbaden am 14. Spieltag
Sport-Kurier Online im Gespräch mit 1899-Coach Markus Babbel
Archiv 1. Bundesliga (Fußball) | erstellt am Fr 16.11.2012
Der gebürtige Münchner gilt als sehr ehrgeiziger und charakterlich starker Mensch. Geprägt wurde er, wie er immer wieder betont, besonders durch seine lange Zeit beim FC Bayern München, wo er eine gewisse Siegermentalität und Stärke vermittelt bekam. Im aktuellen Sportkurier-Interview bilanziert der 40-Jährige den bisherigen Saisonverlauf, nennt Gründe für das enttäuschende Abschneiden und lässt auch etwas in sein Privates blicken.
Sportkurier: Bei Ihrem Amtsantritt forderten Sie von Ihren Spielern „eine entsprechende Einstellung mit viel Leidenschaft und Einsatz“. Sind Sie mit der Entwicklung bislang zufrieden?
Markus Babbel: Die Entwicklung ist noch nicht so, wie ich mir das vorstelle. Alles ist noch zu schwankend und es fehlt die nötige Konstanz. Wir haben junge, talentierte Spieler mit einer hohen Eigenmotivation, die dazu in der Lage sind, meine Zielsetzungen auch zu erreichen.
Sportkurier: Bisher vermisste man den nötigen Willen und Ernsthaftigkeit.
Markus Babbel: Man muss den Spielern immer wieder vor Augen halten, dass sie einen tollen Beruf mit vielen Privilegien und guter Vergütung haben. Er hat aber nicht nur positive Aspekte, sondern auch weniger schöne Seiten, die nicht so viel Spaß machen. Dazu gehört die Pflege, wie auch professionelles Verhalten auf und außerhalb des Platzes. Hoffenheim verfügt über sehr viel junge Spieler und man merkt schon, dass sie noch nicht die ganze Ernsthaftigkeit in sich tragen. Es darf keine Zufriedenheit aufkommen mit dem, was man bislang erreicht hat. Nach oben ist noch sehr viel Luft.
Sportkurier: Man ging sehr euphorisch ins 5. Erstligajahr. Sportlich lief es dann ganz anders. Wie ist der Fehlstart zu erklären?
Markus Babbel: Die Vorbereitung war extrem lang und sehr intensiv. Wir mussten feststellen, auch aufgrund der fehlenden Erfahrungswerte, dass die Mannschaft dadurch Probleme hatte, in Tritt zu kommen. Dazu kam der große Umbruch mit vielen neuen Spielern, die eine gewisse Findungsphase benötigten. Die ganze Situation wurde etwas unterschätzt. Hinzu kam Überheblichkeit: Ich denke da besonders an das Pokalspiel bei den Berliner Amateuren. Die Mannschaft hat aber auch schon gezeigt, dass sie zu weitaus mehr in der Lage ist, wie bei den Spielen gegen Hannover, Stuttgart und Schalke.
Sportkurier: In den letzten Spielen kamen erfreulicherweise auch die U23 Spieler zu
Einsätzen.
Markus Babbel: Man darf die Jungen nicht verheizen. Hoffenheim spielt erst im fünften Jahr Erstligafußball. Es wurde ein hochmodernes Leistungszentrum gebaut, man hat alle Talente, die man bekommen konnte, geholt. Aus der Masse an Spielern ist jetzt erst zu erkennen, welch große Talente in der U17, U19 und U23 stecken. Wir sind mit den Jugendtrainern ständig im Austausch, wollen aber weiterhin keinen dieser jungen Spieler überstrapazieren. Marco Terrazzino und Andreas Ludwig sind gute Beispiele dafür, dass sie zu früh ins kalte Wasser geworfen wurden. Erst jetzt bekommen sie so langsam wieder die Kurve und zeigen bessere Leistungen.
Foto rechts: Markus Babbel ist auch bekennender Leser unseres Sportkurier-Magazins
Sportkurier: Behutsamer Aufbau geniest also oberste Priorität.
Markus Babbel: Wenn die Jungs in der U23 regelmäßig gute Leistungen bringen, bekommen sie ihre Chance. Diesen Sprung haben Denis Strecker, Vincenzo Grifo und Pelle Jensen gemacht, deshalb werden sie auch bei uns mittrainieren. Dafür, dass sie so schnell zum Einsatz kommen konnten, war auch ein Quäntchen Glück dabei. Sie haben ihre Chance genutzt, weil sie gut vorbereitet waren. Wir wollen nachhaltig etwas von unseren jungen Spielern haben. Deshalb gibt es nur diesen einen gangbaren Weg, der seine Zeit braucht und schon die ersten Früchte trägt.
Sportkurier: Für was steht Ihrer Meinung nach 1899 Hoffenheim aktuell?
Markus Babbel: Für einen jungen Bundesligaverein. Einen Verein, der es den Menschen in der Region ermöglicht, Bundesligafußball hautnah zu erleben, der dabei ist, sich mit einer jungen Mannschaft zu etablieren. Und einen Verein, der mit einer herausragenden Struktur im Jugend- und Nachwuchsbereich den fußballbegeisterten Menschen der Region eine Menge bietet.
Sportkurier: Welches Fazit können Sie nach einem dreiviertel Jahr Trainertätigkeit in Hoffenheim ziehen? Was hatten Sie sich anders vorgestellt bzw. gewünscht?
Markus Babbel: Ich habe mir vieles etwas leichter vorgestellt und bin der Auffassung, dass wir uns alle noch gewaltig verbessern müssen – in vielen Bereichen. Gerade die Profis als Aushängeschild des Vereins, müssen zum vorhandenen Talent noch mehr Professionalität vorleben und die Qualitäten abrufen. Hier ist noch viel Luft nach oben.
Sportkurier: England oder Bayern und Schalke wären doch für Sie als ehrgeizigen Trainer auch erstrebenswerte Ziele.
Markus Babbel: Natürlich wäre es für mich ein großes Highlight, einmal in der englischen Premier-League, die mich aufgrund der Stimmung und Atmosphäre sehr fasziniert, als Trainer zu arbeiten. Dennoch ist es auch reizvoll, einige Jahre in Hoffenheim zu sein und etwas Prägendes aufzubauen. Wenn Du zu Bayern gehst, musst du zuvor erst etwas vorweisen können. Schalke als zweitgrößter Verein ist schon aufgrund seiner Fans beeindruckend.
Foto: Markus Babbel wechselt wenige Minuten vor Spielende Sven Schipplock gegen den FC Schalke 04 ein, gibt ihm letzte Instruktionen. Nur zwei Minuten später traf der Stürmer zum 3:2 Sieg für Hoffenheim.
Sportkurier: Vor elf Jahren diagnostizierten Ärzte bei Ihnen eine lebensbedrohliche Nervenkrankheit. Sie hatten gerade das Pfeiffersche Drüsenfieber auskuriert, da stoppte das Guillain-Barré-Syndrom Ihre sportliche Karriere beim FC Liverpool. Ihre Beine waren knieabwärts und die linke Gesichtshälfte war gelähmt. Sie saßen im Rollstuhl.
Markus Babbel: Es war ein bitterer Moment für mich. Ich hatte gerade meine beste Saison in Liverpool mit fünf gewonnenen Titeln hinter mir und musste mit einer für mich völlig unbekannten Krankheit zwei Jahre pausieren. Erst im nachhinein habe ich erfahren, wie schwerwiegend diese Krankheit sein kann und wie viel Glück ich im Unglück hatte. Meine Kämpferqualitäten, die ich mir in 16 Jahren Bayern München angeeignet hatte, haben mir in dieser schweren Zeit sehr geholfen und Kraft und Zuversicht gegeben.
Sportkurier: Die Medienlandschaft hat sich sehr verändert. Wie sehen Sie diese Entwicklung im
Vergleich zu früher?
Markus Babbel: Es ist ein wenig schade, wie negativ sich diese Entwicklung vollzogen hat. Es ist kein Miteinader mehr festzustellen, was Journalisten, Vereine und Spieler unzufrieden stimmt. Aus der Erfahrung heraus kann ich nichts mehr ohne Genehmigung meines Pressesprechers veröffentlichen. Es geht mittlerweile nur noch um verkaufen, Geld zu verdienen, dabei ist jedes Mittel recht. Auch über die sozialen Medien wird viel Unwahres berichtet. Die persönlichen Gespräche, bei denen man sich in die Augen schauen kann, werden immer weniger und es wird distanziert und ohne richtiges Hinterfragen berichtet. Statt einem Miteinander ist es oft ein Gegeneinander. Spieler werden dadurch verunsichert und scheuen den Kontakt zu den Medien.
Zur Person:
– Profispieler von 1991 bis 2007 beim FC Bayern München, Hamburger SV, FC Liverpool, Blackburn Rovers, VfB Stuttgart.
– In seiner Nationalmannschaftskarriere spielte Markus Babbel 51 Mal für Deutschland. Höhepunkt der Gewinn des Europameistertitels 1996 in England.
– Als Trainer tätig beim VfB Stuttgart (2007-2009), Hertha BSC Berlin (2010/11 und seit 2012 bei 1899 Hoffenheim.
Foto 2, 4, 5 Rhein-Neckar Picture. Foto 1 + 3 BWA
zurück