Ein Spiel für den mit dem Tod kämpfenden Kameraden

Ein Spiel für den mit dem Tod kämpfenden Kameraden

Ein Spiel für den mit dem Tod kämpfenden Kameraden

Archiv 1. Bundesliga (Fußball) | erstellt am So 30.09.2012

Foto: Eine schöne Geste der Augsburger, die allesamt so ein Shirt trugen vor dem Spiel.

Anlass ist der tragische Verkehrsunfall des 22-jährigen Profis Boris Vukcevic am vergangenen Freitagnachmittag auf der B45 zwischen Bammental und Mauer. Der sechsfache U21-Nationalspieler stieß aus noch ungeklärter Ursache frontal mit seinem Sportwagen mit einem 40- Tonnen-LKW zusammen und erlitt dabei lebensgefährliche Kopfverletzungen. Der Zustand des in Bosnien geborenen Stürmers, der nach einer Notoperation in der Heidelberger Uniklinik im künstlichen Koma liegt, ist äußerst besorgniserregend.

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Fraglich war daher, ob das Bundesliga-Heimspiel am vergangenen Samstag gegen den FC Augsburg überhaupt stattfindet. Ausschlaggebend für die Spielansetzung, so 1899-Manager Andreas Müller, waren die Spieler: „Die Jungs wollten für Boris spielen und kämpfen. All die Energie und all das Positive für das Spiel sollte sich auf Boris übertragen.“ Auch die Entscheidung der Eltern war ausschlaggebend. Über Spielerberater Maurizio Gaudino ließen sie ausrichten, „spielt für Boris, kämpft für ihn. Er hätte es auch so gewollt.“

Hoffenheims Spieler stehen seit dem Wochenende in engem Kontakt zum Team-Psychologen Jan Mayer. 1899-Geschäftsführer Frank Briel gegenüber dem Sport-Kurier: „Gerade für unsere jungen Spieler ist dies sehr wichtig. Jeder verkraftet die schlimme Situation auf eine andere Weise. Es ist wichtig jemand zu haben, der einem dabei hilft. Der Schock sitzt in uns allen sehr tief und wir sind mit den Gedanken immer bei Boris.“

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Der Fall Vukcevic offenbarte auch eine nicht alltägliche Geste des Zusammenhalts im ansonsten so harten Profigeschäft. Es gab unzählig viele Genesungswünsche und Durchhalteparolen aus der ganzen Liga. Spieler, Vereine und Fußballfans aus dem In- und Ausland meldeten sich über soziale Netzwerke und sprachen Mut zu. Nett auch die Geste der Augsburger Spieler, die sich beim Warm-Up vor dem Spiel T-Shirts mit der Aufschrift „Gute Besserung Boris“ übergestreiften. Für die Kraichgauer war die Partie des 7. Spieltages die schwierigste Situation, die sie je hatten. Fußball spielen ohne freien Kopf ist sehr, sehr schwierig.

Die Chronologie des Spiels ist schnell erzählt. Die Kraichgauer bestimmten in der ersten Hälfte das 1899-hoffenheim
Geschehen und hatten ein deutliches Übergewicht. Augsburg stand tief, machte die Räume eng und ließ nur wenig Torchancen zu. Beste Möglichkeiten zur Führung durch Usami (27. Min.) mit einem 18 Meter-Knaller knapp übers Lattenkreuz, Matthieu Delpierre (39. Min.) per Kopfball, der auf der Torlinie gerade noch geklärt wurde, und ein Schuss von Firmino (41. Min.), der jedoch den eigenen Mitspieler Joselu traf, konnten nicht in zählbaren Erfolg verwertet werden.

Die durchschnittliche Partie ohne große Höhepunkte mit viel Ballgeschiebe setzte sich auch in der zweiten Hälfte fort. Der FC gab nun seine Defensivtaktik auf und spielte mutiger nach vorn und kam folglich zu einigen Torchancen.

Für Aufregungen sorgten zunehmend strittige und unverständliche Entscheidungen von Schiri Markus Schmidt. In der 79. Minute wurde Usami im FC-Strafraum hart attackiert, doch der Strafstoss-Pfiff blieb aus. Angesichts der allgemeinen Gefühlssituation bewies Schmidt wenig Fingerspitzengefühl.

Nachdem sich TSG-Coach Markus Babbel beim Assistenten über eine Fehlentscheidung beschwerte, schickte ihn der Unparteiische, erstmals in seiner Trainerkarriere, in der 85. Minute auf die Tribüne. Von hier aus konnte er nur drei Minute später verfolgen, wie sein Spieler Sejad Salihovic nach einem Tritt auf Höhe der Mittellinie gegen den Gästespieler Tobias Werner mit Rot vom Feld flog. Für den Bosnier bereits der zweite Platzverweis der Saison nach seiner Einwechslung.

Foto: Nach dem Spiel hatte jeder TSG-Akteur ein Trikot mit der Nr. 7 und dem Namen Vukcevic an – Bild: BWA

bwa-foto 1899-profis mit boris-trikot

Babbel nach Spielende: „Es war heute kein normales Spiel. Das Ergebnis ist für mich daher auch nicht wichtig. Wichtig war, dass die Mannschaft und die Fans alles für Boris gaben und kämpften. Das Unentschieden geht in Ordnung.“

Koen Casteels, der weiterhin für den verletzten Tim Wiese fehlerfrei das Tor hütet, blickt bereits auf die nächste Partie am Samstag beim FC Bayern: „Uns erwartet in München eine schwere Aufgabe und große Herausforderung. Wir haben gegen den Tabellenführer nichts zu verlieren und können nur gewinnen. Ich freue mich erstmals vor 71.000 Zuschauern in einer tollen  Arena zu spielen. Mit Sicherheit werde ich da mehr zu halten bekommen, wie in den letzten drei Partien.“ Der Fokus bei den Nordbadenern ist nach zweieinhalb freien Trainingstagen  ganz auf München gerichtet, die Gedanken aber weiterhin beim Kollegen Boris Vukcevic.

Foto 1-3 Rhein-Neckar Picture

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