Die chaotische Personalpolitik der TSG 1899 Hoffenheim
Die chaotische Personalpolitik der TSG 1899 Hoffenheim
Archiv 1. Bundesliga (Fußball) | erstellt am Di. 15.01.2013
…entwicklungsfähige, talentierte, günstige und deutsche Nachwuchsfußballer zu setzen, wurde bei der Kaderzusammenstellung im Sommer 2012 vernachlässigt. Das Personalkarussell dreht sich in vielen anderen Bereichen der TSG 1899 Hoffenheim schneller als an allen anderen Standorten der Bundesliga. Nachhaltigkeit ist bei diesem hohen Personalverschleiß kaum möglich.
Vier Manager und sechs Trainer seit Rangnicks Weggang
Mit Jan Schindelmeiser, Ernst Tanner, Markus Babbel und Andreas Müller hat der Verein in viereinhalb Jahren Bundesliga bereits den vierten Manager unter Vertrag. Mit Ralf Rangnick, Marco Pezzaiuoli, Holger Stanislawski, Markus Babbel, Frank Kramer und Marco Kurz schon den sechsten Trainer. Spielerberater Roger Wittmann hat zunehmend stärkeren Berater-Einfluss bei der Spielerauswahl. Viele bei ihm unter Vertrag stehende Profis sind bei der TSG beschäftigt. Die Kursrichtung des Vereins wurde innerhalb kürzester Zeit ständig verändert. Jeder neue Trainer und Manager brachte zwangsläufig seine eigenen Vorstellungen, Ideen und Zielsetzungen mit.
Foto: Der Vater des Erfolges bei der TSG 1899 Hoffenheim. Nach ihm war und ist kein nachhaltiges Konzept beim Bundesligisten erkennbar.
Am erfolgreichsten war das Gespann Rangnick/Schindelmeiser
Am erfolgreichsten und einprägsamsten waren die Visionen von Ralf Rangnick, unterstützt von Manager Schindelmeiser. Der kometenhafte Aufstieg von der Drittklassigkeit ins Fußballoberhaus legte den Grundstein für die Hoffenheimer Bundesligageschichte. Zuvor völlig unbekannte Spieler wie Luiz Gustavo, Carlos Eduardo, Demba Ba, Chinedu Obasi oder Vedad Ibisevic bleiben unvergessen. Deren teilweise unvermeidbare Verkäufe polierten die Bilanzen der Kraichgauer gewaltig auf.
Foto: Sie bleiben unvergessen bei der TSG 1899 Hoffenheim – standen für temporeichen und technisch hervorragenden Fußball. V.l. Obasi, Ibisevic, Demba Ba.
Nach der Ära Rangnick verfehlte Einkaufspolitik und Konzeptionslosigkeit
Nach der Ära Rangnick folgte eine überteuerte Fehleinkaufspolitik, die sich größtenteils auf den südamerikanischen Spielermarkt beschränkte und nicht den gewünschten Erfolg brachte. Manager Tanner, der zuvor Leiter des Nachwuchsleistungszentrums war, löste daraufhin Schindelmeiser ab und hatte nach einer halbjährigen Zwischenlösung mit Pezzaiuoli als Trainer – die Aufgabe, zusammen mit dem volksnahen und beliebten St. Paulianer Holger Stanislawski als neuen Cheftrainer, die TSG neu aufzustellen.
Foto: Sie brachten dem Club keine Impulse. V.L. Manager Ernst Tanner – Mitte Marco Pezzaiuoli.
Aufgrund der Schuldenlast sollte mit einem Sparkurs, der jugendliche Dorfverein der Außenwelt sympathisch und volksnah näher gebracht werden. Den Verantwortlichen missfiel jedoch dieses Unterfangen bereits nach einem halben Jahr und der bei den Fans sehr beliebte Stani musste für den weltmännischen, ehemaligen Bayern-Star und Europameister Markus Babbel den Platz räumen. Auch die Tage von Tanner endeten wenig später und so vereinigte Babbel auf Wunsch des Vereins, die Trainer und Managerposition in Personalunion.
Foto: Holger Stanislawski wurde Sparzwang auferlegt – Spieler wie Obasi, Sigurdsson und Ibisevic wurden unter seiner Führung ohne Not abgegeben.
Markus Babbel führte den Club in den Abstiegsstrudel / 2. Liga, anstatt Europa?
Doch auch das Vorhaben des gebürtigen Münchners scheiterte nach knapp zehn Monaten, da er an seinen persönlichen, viel zu hohen Zielsetzungen in Richtung europäischer Bühne scheiterte. Babbel hinterlässt seinem Nachfolger Marco Kurz einen weniger erfolgreichen und verunsicherten Spielerkader, mit dem nun der neue Coach sein Glück im Abstiegskampf versuchen muss. Dass es, im Fall des Klassenerhalts im Sommer erneut zu größeren Kaderveränderungen kommen wird, dürfte jetzt schon klar sein. Die Zielsetzungen des neuen Trainergespanns sind kurzfristiger Natur und zielen nur in Richtung Ligaverbleib.
Foto: Links im Bild Manager Andreas Müller – Co-Trainer Widmayer (Mitte) und Babbel (rechts) sind schon Vergangenheit.
Die Fans kritisieren diese ständigen, schwer nachvollziehbaren Kurswechsel
Der 1899-Fan tut sich schwer, den ständigen Kurskorrekturen zu folgen. Frühere nachvollziehbare Konzepte, Strategien und Ambitionen, Nachwuchsarbeit und eine verständliche Vereinsphilosophie werden längerfristig vermisst. Das Zuschauerinteresse hat zuletzt stark nachgelassen. Bundesweite positive Schlagzeilen gehören der Vergangenheit an. Nach einer Umfrage unter den Bundesligaprofis wurde die Hoffenheimer Mannschaft mit Abstand als die größte Enttäuschung der Hinrunde gewählt.
Foto: Ist die TSG 1899 Hoffenheim am Boden? Der Abstiegskampf hat begonnen – Im ersten Rückrundenspiel kommt Borussia Mönchengladbach nach Sinsheim. Ein Sieg ist Pflicht für die Kraichgauer.
Mit Manager Müller wurde erstmals ein ehemaliger, erfahrener Profi in die sportliche Verantwortung gehievt. Auf sein Geschick, verbunden mit Erfahrungen aus ehemaligen Schalker Zeiten, kommt es nun an. Ihm ist zu wünschen, dass seine Tätigkeit längerfristiger Natur ist und dass ihm nicht reingeredet wird. Der Ruf des einstigen Emporkömmlings dürfte jedoch für die nahe Zukunft verloren gegangen sein.
Alle Fotos: Rhein-Neckar Picture
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