Der Sport-Kurier im Interview mit 1899-Manager Andreas Müller

Der Sport-Kurier im Interview mit 1899-Manager Andreas Müller

Der Sport-Kurier im Interview mit 1899-Manager Andreas Müller

Archiv 1. Bundesliga (Fußball) | erstellt am Mo. 08.10.2012

Der gebürtige 49-jährige Stuttgarter bringt aus seiner über 30 -jährigen Erfahrung als Profi und Manager viel Erfahrung mit und möchte zusammen mit Trainer Babbel die Mannschaft wieder auf Erfolgskurs bringen. Mit den Anfangserfolgen gegen Hannover und Stuttgart ist dies eindrucksvoll gelungen. Im ausführlichen Sport-Kurier-Interview nennt Müller seine Aufgabenschwerpunkte und Ziele.

Der Saisonstart für die TSG verlief enttäuschend.

Mannschaft und Trainer haben selbst festgestellt, dass es nach dem schlechten Start in die falsche Richtung ging. Wir haben den Kurs geändert und den Zug  in eine andere Richtung gelenkt.

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Dabei spielt auch die Einstellung der Spielern ein wichtige Rolle.

Ganz genau, dies ist reine Kopfsache. Eine Bundesliga-Saison vergleiche ich wie einen 400 Meter-Lauf. Den kann man nicht im Sprint durchziehen, sondern muss ihn bis zum Ende durchhalten. Die Mannschaft hat eine sehr lange und intensive Saison-Vorbereitungsphase hinter sich und dies kann am Saisonende zum Vorteil werden.

Mit Ihnen kam der Erfolg zurück. Was ist ihr persönliches Erfolgsrezept?

Mein Name ist Müller und nicht Copperfield. Ich stehe für harte Arbeit, klare Worte und konsequentes Handeln. Die Mannschaft muss eine klare Ansprache haben, die der Trainer sehr gut verkörpert. Vielleicht ist durch mich die Aufmerksamkeit zusätzlich geweckt worden, aber zaubern kann ich nicht.

Wie kam es zur Wende?

Nach dem schlechten Saisonstart fehlte das Vertrauen in die eigene Leistung, aber im entscheidenden Moment hat die Mannschaft richtig reagiert. In einer Saison oder auch einem Spiel gibt es Momente, wo das Pendel kippen kann. Diesen Moment muss man erkennen und nutzen. Es gibt Basis-Dinge, die man erzwingen kann.

Foto: Andreas Müller: „Mein Verhältnis zur Mannschaft bezeichne ich als kritische Nähe.“

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Wie gefestigt ist die Mannschaft momentan?

Wichtig ist, dass das Gebilde der Mannschaft noch gefestigter wird. Eine hohe Konstanz ist sehr wichtig. Es wird Phasen geben, wo es nicht immer so gut läuft, aber dann muss das Team erkennen, dass sie solche Rückschläge wegstecken und auf die Basis zurückgreifen kann. Unser Ziel muss sein den Gegner offensiv zu attackieren, geschlossen aufzutreten und Wille zu zeigen.

Wie sehen Sie ihre Zusammenarbeit mit Chef-Trainer Markus Babbel?

Markus hat eine sehr gute Ansprache an die Mannschaft. Seine Gewinner-Mentalität, die er sich bei den Bayern aneignete, kommt ihm sehr zu Gute und er lebt sie Tag für Tag vor. Sein Co-Trainer Reiner Widmayer verfügt über sehr großes taktisches Wissen. Sicher kann es auch hilfreich sein, jemanden wie mich an der Seite zu haben, mit dem man sich über Fußball austauschen kann. Ich bin in Hoffenheim ganz unvorbelastet rein gekommen und sehe daher die Dinge sehr neutral.

Sind Sie auch auf Rückschläge vorbereitet?

Ich bin schon über 30 Jahre im Profigeschäft, habe als Spieler und Manager reichlich Erfahrungen gesammelt. Daher weiß man ganz genau, wo man den Hebel an der richtigen Stelle ansetzen muss.

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1899 fehlt eine längerfristige Zielausrichtung bzw. Philosophie. Wie wollen Sie den künftigen Weg bestreiten?

Die Jugendarbeit ist weiterhin sehr wichtig. Eine Durchlässigkeit von der eigenen Jugend bis hin zum Profiteam muss gewährleistet sein. Die Jugend-Akademie gibt es im Vergleich zu anderen Profivereinen noch nicht so lange. Durch die ständigen Personalwechsel ist vieles verloren gegangen. Für jeden Verein ist es wichtig, dass man ein Modell auf die Beine stellt, wo die Zukunft des Vereins transparent und nachvollziehbar dargestellt wird.

Dem angekündigten Jugendstil folgten Verpflichtungen von älteren, erfahrenen Spielern.

Die jungen Spieler brauchen für ihre Entwicklung erfahrene Spieler an ihrer Seite, die sie führen und bei der Weiterentwicklung fördern können. Die Mischung Jung und Alt muss stimmen. Wenn man die Möglichkeit hat, die Mannschaft qualitativ zu verbessern und sowohl die finanziellen Voraussetzungen als auch die Mentalität des Spielers sowie die medizinischen Voraussetzungen passen, muss man auch zugreifen.

Foto: Nach dem 3:1 Sieg über Hannover 96 beglückwünschen sich Markus Babbel und Andreas Müller

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Für Markus Babbel war die Doppelfunktion Trainer-Manager zu groß…

Ich persönlich denke, dass diese sehr vielfältigen und schwer miteinander zu verbinden Aufgaben nicht von einer Person erledigt werden können. Der einzige der dies in die Reihe bekommt ist womöglich Felix Magath. Unterschiedliche Sichtweisen sind von Vorteil. Bei einer Doppelbelastung gehen viele Energien und Konzentrationen verloren. Für gewisse Dinge muss man sensibilisiert sein. Jeder einzelne Job bei einem Verein ist hart und benötigt viel Zeit.

Das Aufgabengebiet des Managers ist vielseitig.

Ein Manager ist nicht nur für die Transfers zuständig. Man muss viel kommunizieren – die Leute zusammen bringen – ist viel unterwegs, kümmert sich um die Fans, die medizinische Abteilung usw. Die Medien sind auch sehr wichtig. Die Woche hat nur sieben Tage und der Tag 24 Stunden.

Ihnen wird nachgesagt, viel mit Spielerberatern zusammen zu arbeiten.

Durch meine Zeit bei Schalke 04 habe ich sehr gute Geschäftskontakte aufgebaut. Ich habe dort viele Spieler geholt, die sich national und international einen Namen gemacht haben. Für mich steht immer der Verein an oberster Stelle und dann kommen erst einzelne Personen.

1899 nimmt das Financial Fairplay sehr ernst. 1899-hoffenheim

Das ist gut so und natürlich werden wir uns weiter an die strengen Richtlinien halten. Die Bundesliga ist schon lange Vorreiter beim Lizenzierungsverfahren, das sehr nachhaltig ist. Das Financial Fairplay wird im Vergleich zu vielen ausländischen Vereinen hier sehr ernst genommen. Es wurden schon Sanktionen für ausländische Vereine ausgesprochen und manche von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen.

Der enge Kontakt zu den Fans ist Ihnen sehr wichtig.

Transparents nach außen ist bei Transfers für mich immer wichtig. Den Fans muss klar sein, warum Spieler verkauft oder geholt werden. Kommunikation ist daher für mich sehr wichtig.

Die 1899-Fanszene ist noch im Reifeprozess.

Durch die fehlende Konstanz kann so etwas auch nicht richtig reifen. Wir müssen längerfristig eine Linie finden und gemeinsam den Weg gehen. Der Fan muss hier mit ins Boot genommen werden. Vertrauen, Konstanz und ein gesundes Wachsen sind wichtig. Wir müssen eine stabile Größe werden – alles eine Frage der Zeit.

Wie beschreiben Sie Ihr Verhältnis zur Mannschaft?

Mein Verhältnis zur Mannschaft bezeichne ich als kritische Nähe. Ich bin nicht der Freund der Spieler, bin aber immer für die Jungs da. Voraussetzung ist jedoch, dass sie sich immer total für den Verein einsetzen – für mich das Allerwichtigste.

Foto: Der tragische Unfall von Boris Vukcevic hat beim Club Spuren hinterlassen.

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Gibt es ein Manager-Vorbild?

Was Uli Hoeness bei den Bayern zu Wege brachte ist phänomenal. Er spielt gegenüber den anderen in einer anderen Liga. Sein Vorteil war damals, dass er als junger Manager in einer moderaten Medienlandschaft arbeiten konnte und nicht an großen Vorgängern gemessen wurde. Ich hatte mit Schalke-Manager Rudi Assauer einen sehr populären Vorgänger, in dessen Fußstapfen ich nie treten wollte. Ich wollte immer meine eigenen Spuren hinterlassen.

Erfolg ist im Profigeschäft nicht kalkulierbar.

Es ist ein Privileg Bundesligaspieler, Trainer oder Manager zu sein. Man muss dies zu schätzen wissen und darf deshalb nicht überheblich werden und abheben. Grüße alle auf dem Weg nach oben, denn du triffst sie auf dem Weg nach unten wieder. Die meisten Fehler macht man im Erfolg.

Der schlimme Unfall Ihres Spielers Boris Vukcevic stellte zuletzt das sportliche zurecht in den Hintergrund.

Das ist eine sehr schwierige Situation für den gesamten Verein. Wir hätten das Spiel gegen Augsburg absagen können, aber die Mannschaft hat sich einheitlich dafür entschieden zu spielen. Wir wollen positive Energie und unsere Hoffnung auf den Jungen übertragen. Wir wollen für Boris kämpfen, er ist auch ein Kämpfer, er hätte das so gewollt. Wir beten täglich dafür, dass er wieder gesund wird.

Foto: BWA und Rhein-Neckar Picture

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